Chronik/Wien

Die Fakten zur Wiener Mindestsicherung

Mindestsicherung – kaum ein Begriff war zuletzt derart politisch aufgeladen. ÖVP und FPÖ machen den Zuzug ins Wiener Sozialsystem immer wieder zum Thema. Die rot-grüne Stadt wiederum stemmte sich im Vorjahr vehement gegen eine bundesweite Reform, die schließlich vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde.

Nun scheinen die Zahlen der SPÖ (vorerst) recht zu geben: Zum zweiten Mal in Folge sank die Zahl der Mindestsicherungsbezieher. 135.698 Personen beantragten 2019 die Sozialleistung – um fünf Prozent weniger als 2018. Heuer ist die Lage aber schon wieder weit weniger rosig. Der KURIER hat sich die wichtigsten Fakten angesehen.

Kosten:

Insgesamt gab die Stadt 640,1 Millionen Euro aus, das sind um 20 Millionen weniger als 2018. Für die Mindestsicherung wurde damit rund ein Drittel des Sozialbudgets aufgewendet. 7,1 Prozent der Wiener beziehen Mindestsicherung.

Alle Inhalte anzeigen

Höhe der Mindestsicherung:

Bei Weitem nicht alle Menschen, die auf die Unterstützung angewiesen sind, bekommen die Mindestsicherung in voller Höhe ausbezahlt. 74 Prozent aller Betroffenen waren Aufstocker. Das heißt, sie erhielten so wenig Gehalt, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe, dass sie die Mindestsicherung beantragen mussten, um über die Runden zu kommen. 12 Prozent waren auf den Vollbezug angewiesen, dieser belief sich bei einer Bedarfsgemeinschaft (z. B. Partnerschaft) auf durchschnittlich 692 Euro pro Monat. Bei den restlichen Beziehern handelt es sich um Kinder, Kranke oder Pensionisten.

Alter der Bezieher:

Apropos Kinder: Jedes siebte Kind, also 39.666 Personen bis 14 Jahre, waren 2019 auf die Sozialleistung angewiesen. Gute Nachrichten gibt es bei den 19- bis 25-Jährigen: In der Gruppe gab es mit minus 15 Prozent den größten Rückgang an Beziehern. 13.028 erhielten im Vorjahr die Mindestsicherung.

Für Wirtschaftsforscher ist der generelle Rückgang bei der Zahl der Bezieher auch ein Zeichen der Erholung des Arbeitsmarktes gewesen.

Herkunft der Bezieher:

Kaum wurde die Bilanz verkündet, folgte Kritik. So bemängelte die ÖVP etwa, dass die Wiener Mindestsicherung ein Magnet für Zuwanderer sei. Tatsächlich waren im Vorjahr 45 Prozent der Bezieher Österreicher. Ihre Anzahl war im Vergleich zum Vorjahr um sieben Prozent auf 61.617 gesunken. Die Zahl der Drittstaatenangehörigen hat um 13 Prozent auf 62.637 zugenommen. Die Zahl der Asyl- und Schutzberechtigten ist jedoch relativ konstant geblieben.

Zuzug ins System:

Laut Helmut Mahringer vom WIFO hängt eine Zunahme bei den Mindestsicherungsbeziehern nicht in erster Linie von der Attraktivität des Sozialsystems ab. „Das ist eher eine Reaktion auf soziale Problemlagen und da auch abhängig von der Situation am Arbeitsmarkt“, sagt er. Auf diesem haben es Zuwanderer naturgemäß schwerer.

Ausblick:

Die aktuelle Entwicklung bereitet Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) Sorgen. Denn seit Ausbruch der Corona-Krise ist die Zahl der Mindestsicherungsbezieher wieder gestiegen. Im Mai betrug das Plus 4,9 Prozent. Auffällig ist, dass 1.304 Menschen erstmalig die Mindestsicherung beantragt haben, darunter vorwiegend Österreicher zwischen 25 und 44 Jahren. Experten rechnen mit einem weiteren Anstieg. Auch, weil viele Menschen ein niedriges Arbeitslosengeld beziehen. Zudem verschlechtern sich die Chancen von Randgruppen.