Causa Aliyev: Zweifelhafte Umtriebe der Kripo
Die allgemeine Spionagepanik ist um eine Facette reicher: Geheimdienste knacken nicht nur unsere Computer und Handys, sie manipulieren auch kriminalpolizeiliche Ermittlungen. Zumindest in Wien scheint es den Agenten des kasachischen Geheimdienstes KNB gelungen zu sein, eine Abteilung des Bundeskriminalamtes zu unterwandern.
Seit sechs Jahren tobt in Wien eine heftige Agentenschlacht, die mit allen Mitteln geführt wird. Auf der einen Seite steht der postkommunistische kasachische Geheimdienst KNB. Im Visier stehen nicht nur der frühere kasachische Botschafter Rakhat Aliyev, sondern auch dessen einstige Mitarbeiter. Sie sollen durch Selbstbezichtigungen belastende Aussagen gegen Aliyev liefern.
Gulag
Diese Kasachen haben aber nicht die Absicht, freiwillig vom sicheren Wien in den kasachischen Gulag zu gehen. Folglich wird auf Gewalt gesetzt. In einigen Fällen mit Erfolg. Einem ehemaligen KNB-Oberst in Wien wurde von einem „Freund“ mitgeteilt, dass der KNB seine beiden Töchter in Haft genommen habe. Die könnten nur freikommen, wenn er heimkehrt. Er fuhr nach Hause. Dort sitzt er in Haft, und produziert Niederschriften mit schweren Beschuldigungen gegen Aliyev. Auch ein nunmehriger kanadischer Staatsbürger wurde zur Rückkehr genötigt. Er arbeitet jetzt für die frühere Gegenseite.
Die Jagd auf weitere Zielpersonen wird in der kasachischen Botschaft koordiniert. Eingesetzt werden unter anderem Kopfgeldjäger. Darunter ein deutscher Privatdetektiv, der eine Amtshandlung des Bundeskriminalamtes observierte. Oder ein pensionierter Abwehrbeamter, der zwei Zielpersonen ausspähte. Nur wenige Tage später gab es die ersten Überfälle auf die Opfer.
Besonders verhaltensauffällig sind auch einige Kriminalpolizisten. Sie reisten nach Kasachstan, nach Dubai und nach Kroatien. Ein Journalist lieferte die Flugtickets. Die Erhebungsaufträge kamen nicht von der eigenen Behörde, sondern vom KNB. Es taucht auch der Name eines Hofrates auf, der sich ebenfalls für die Informationsbeschaffung zur Verfügung stellt.
Verfassungsschutz
Auf der anderen Seite steht der Verfassungsschutz. Der ermittelt gegen die KNB-Aktivitäten. Er observiert auch Politiker, die eventuell in die Affäre involviert sind. Das BVT stellt auch Personenschutz für jene Kasachen, die bereits angegriffen wurden oder Gefahr laufen, Opfer einer Entführung zu werden. Bei den BVT-Operationen stehen – unter Einrechnung der beteiligten Cobra – zeitweise bis zu 100 Mann gleichzeitig im Einsatz.
Groß ist das Staunen in der Fachwelt aber jetzt über die Aktivitäten des Bundeskriminalamtes. Das ermittelt im Auftrag der Staatsanwaltschaft jene Vorwürfe, die von Kasachstan gegen Aliyev vorgetragen werden. Die Kriminalisten des Bundeskriminalamtes kooperieren aber nicht – wie von der Staatsanwaltschaft gewollt – mit der kasachischen Justiz, sondern mit dem KNB. Sie versuchten sogar, KNB-Agenten als „Wirtschaftspolizisten“ getarnt den Staatsanwälten zu präsentieren. Die Justiz untersagte aber die zweifelhaften Kontakte.
Rakhat Mukhtaruly Aliyev, 51, ist durch die Heirat von Dariga Nasarbajewa in den inneren Machtzirkel Kasachstans aufgestiegen. Denn die Ehefrau ist eine Tochter des Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Aliyev war damit eine der Schlüsselfiguren in den Clans im Dunstkreis des autokratischen Herrschers.
Er war Mitgründer und Hauptaktionär der NUR-Bank, Chef der Steuerfahndung und stellvertretender Leiter des Geheimdiensts KNB. Zu seinem Einflussbereich gehörten TV-Stationen, Radiosender, Zeitungen und die Zuckerindustrie. Inzwischen gibt es auch nahestehende Unternehmen und eine Privatstiftung in Wien.
Zum ersten Knick in der Karriere kam es durch einen Machtkampf verbunden mit Säuberungen im KNB im Jahr 2001. Aliyev musste als stellvertretender Chef zurück treten. Er liebäugelte mit der Opposition. Ein Jahr darauf wurde er als Botschafter nach Wien geschickt. „Ins Exil“, meinen Oppositionelle. Er kehrte im Jahr 2005 als stellvertretender Außenminister nach Kasachstan zurück, wurde im Februar 2007 aber wieder als Botschafter nach Wien geschickt. In diesem Jahr kam es zum Show-Down: Zwei Bankmanager der NUR-Bank verschwanden und wurden später tot aufgefunden.
Beginn der Jagd
Die Jagd auf Aliyev beginnt mit einer endlosen Reihe von Vorwürfen. Er hätte einen Putsch geplant, die beiden Bankmanager umgebracht und eine Reihe von Wirtschaftsverbrechen begangen. Er wird von Ehefrau Dariga in Abwesenheit zwangsweise geschieden, die kasachische Justiz stellt Auslieferungsanträge. Die öster- reichische Justiz lehnt die Auslieferungsanträge ab, weil Aliyev angesichts der politischen Interessenslage kein faires Verfahren erwarten könne. Im Zuge eines Amtshilfeverfahrens muss nun die österreichische Justiz die Vorwürfe gegen Aliyev prüfen. Gleichzeitig beginnt aber auch die Jagd des KNB nach Aliyev und dessen früheren Mitarbeitern. Eingesetzt werden dabei alle Methoden, die im Repertoire eines post-sowjetischen Geheimdienstes vorhanden sind.