Chronik/Wien

Ärztepfusch: Ruf nach besserer Kontrolle wird lauter

Statt der Ärztekammer könnte künftig eine externe Stelle die Qualitätskontrolle von Ärzten übernehmen. Das kündigt Gesundheitsminister Alois Stöger an: „Wenn die Qualitätssicherung wie sie jetzt geschieht, nicht funktioniert, kann ich mir vorstellen, dass es eine solche unabhängige Stelle gibt.“

Eine derartige Institution könnte laut Stöger Gegenstand der kommenden Regierungsverhandlungen sein.

Anlass für den Vorstoß des Ministers ist der Fall einer Wiener Ärztin, über den der KURIER bereits im April berichtete: In ihrer Praxis führte die Medizinerin über Jahre Schwangerschaftsabbrüche zum Billigtarif durch. Doch dabei lief offenbar nicht immer alles glatt: Mittlerweile haben sich sieben Patientinnen nach schweren Verletzungen an die Wiener Patientenanwaltschaft gewandt. Bei einer Frau etwa musste nach einer schweren Panne bei der Abtreibung ein Eileiter entfernt werden.

Rettungseinsätze

Patientenanwältin Sigrid Pilz spricht weiters von 16 Rettungseinsätzen innerhalb der vergangenen vier Jahre an der Ordinationsadresse. Jedes Mal musste eine bei einem Schwangerschaftsabbruch verletzte Frau ins Spital gebracht werden.

Doch trotz alldem habe die Ärztekammer jahrelang nichts gegen die Medizinerin unternommen, kritisiert Pilz, die sich ebenfalls für eine unabhängige Kontrollstelle ausspricht.

„Wir waren mehrfach gemeinsam mit der Magistratsabteilung 40 in der Ordination. Die Praxis wurde auch mehrfach geschlossen“, betont Thomas Holzgruber von der Ärztekammer. Die Ärztin habe die erteilten Auflagen wegen hygienischer Mängel erfüllt. Daraufhin wurde wieder aufgesperrt.

Die Medizinerin selbst führe die Abtreibungen nicht durch, sondern mache nur die Narkosen. Laut Pilz würde die Ärztin für die Eingriffe selbst Gynäkologen beschäftigen. Mittlerweile läuft gegen sie ein Verfahren wegen Aberkennung der Berufsberechtigung, heißt es seitens der Kammer.

Geht die Ärztekammer zu nachlässig mit schwarzen Schafen in den eigenen Reihen um? Davon ist zumindest die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz überzeugt: „Wir sind derzeit mit acht Ärzten beschäftigt, bei denen es über Jahre hinweg immer wieder zu Komplikationen bei der Behandlung von Patienten kommt. Ohne dass dies ernste Konsequenzen hätte.“

Besonders dramatisch ist der Fall einer Ordination, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt: Eine der Patientinnen wandte sich an die Patientenanwaltschaft, nachdem sie infolge einer schweren Panne bei einer Abtreibung ins Spital gebracht werden musste. In einer Notoperation wurde ihr der rechte Eileiter entfernt.

Der Patientenanwaltschaft liegen weitere ähnliche Fälle aus dieser Ordination vor. Damit nicht genug: „Die Aufklärung der Patienten erfolgt äußerst mangelhaft, wie betroffene Frauen berichten“, sagt Pilz. Oft sei den Patientinnen bis unmittelbar vor dem Eingriff nicht einmal klargemacht worden, wer die Operation überhaupt durchführt.

17 Rettungseinsätze

Und noch etwas kommt Pilz verdächtig vor: Seit 2008 gab es an der Adresse der Ordination 17 Rettungseinsätze. „Wir werden jetzt aufklären, was dahintersteckt.“

Zwar sei es bereits zu einem Kammer-internen disziplinarrechtlichen Verfahren in diesem Fall gekommen, „herausgekommen ist dabei allerdings nichts“, kritisiert Pilz die Ärztekammer.

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Und auch wiederholte Schließungen der Praxis aufgrund hygienischer Mängel seien bloß vorübergehend gewesen.

Was Pilz besonders sauer aufstößt: Auf Betreiben der Patientenanwaltschaft fand vor Kurzem einmal mehr ein unangemeldeter Kontrollbesuch in der Praxis statt. Anwesend dabei: Vertreter der zuständigen MA 40 und der Ärztekammer. Die Patientenanwaltschaft blieb hingegen ausgeladen. „Ihre Anwesenheit ist gesetzlich nicht vorgesehen“, rechtfertigt sich Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer. Im Ärztegesetz sei sehr wohl angeführt, dass Vertreter von Patienteninteressen bei solchen Kontrollen anwesend sein können, kontert Pilz.

Holzgruber bestätigt, dass es in der Causa disziplinarrechtliche Anzeigen gegeben hat. Doch warum wurde dabei kein Berufsverbot ausgesprochen?

Dies könne nur die Bundesärztekammer – „und das auch nur, in schwerwiegenden Fällen: Etwa wenn strafrechtlich relevante Dinge vorliegen oder wenn der Arzt aus gesundheitlichen Gründen keine berufliche Eignung mehr hat.“

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Schneller eingreifen könnte laut Holzgruber die städtische Behörde, also die MA 40. „Die Zuständigkeit auf die MA 40 abzuschieben ist lächerlich“, sagt Pilz. „Sie ist ja nur befugt, die Hygiene-Standards zu überprüfen, nicht aber die Behandlungsqualität. Ich frage mich, was passieren muss, dass hier endlich gehandelt wird.“

Unterlagen verweigert

Auf Bundesebene will sie jetzt zumindest eines bewirken: Dass auch niedergelassene Ärzte nicht nur eingeladen, sondern verpflichtet sind, mit der Patientenanwaltschaft zu kooperieren. Derzeit kann ein frei praktizierender Arzt, gegen den Vorwürfe vorliegen, die Herausgabe – wie übrigens auch im beschriebenen Fall – seiner Unterlagen verweigern. Dann sind den Patientenanwälten die Hände gebunden.