100.000 Wiener ohne Job
Von Martin Gantner
Im letzten Jahr hat Benjamin Baumann viele Briefe geschrieben.
Nur wenige haben dem 31-Jährigen geantwortet. Und jene, die geantwortet haben, haben nicht das geschrieben, was Baumann zu lesen erhofft hatte. "In einem Dreivierteljahr kamen knapp 300 Bewerbungen zusammen", sagt Baumann, der gerne als Bühnentechniker gearbeitet hätte. "Alle negativ." Auch in der Kinderbetreuung kam er nicht unter.
Die Finanzkrise hat längst auch Wien heimgesucht. Derzeit sind in der Bundeshauptstadt etwa 100.000 Menschen ohne Job. Tendenz steigend. "Zwar hat die Krise in Wien nicht so hart durchgeschlagen wie in anderen Bundesländern", sagt Arbeitsmarktexperte Peter Huber vom Wirtschaftsforschungsinstitut, "aber dafür profitiert Wien bei Weitem nicht so sehr vom noch schwachen Aufschwung."
Seit 2008 weist der Pfeil in der Statistik beharrlich nach unten. Eine Trendumkehr ist nicht absehbar. "Wir werden deshalb weiter investieren, um Jobs zu sichern", sagt Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ). Die von EU und Bund verordnete Sparpolitik sei dabei aber alles andere als hilfreich. "Nur zu sparen ist sinnlos", sagt sie. "Wir müssen etwa weiter in den Wohnbau investieren können. Hier ist auch der Bund gefordert."
Jobmeile
Baumann gelang es, der Krise vorläufig zu entkommen. Gemeinsam mit Kollegen Peter Lampe steht er im Carla Mittersteig, einem Möbellager der Caritas. "Hier arbeite ich 25 Stunden in der Woche", sagt er. Nebstbei hat er sein Philosophie-Studium wieder aufgenommen. "Ich hoffe, später als Lehrer zu arbeiten."
Baumann wird am Donnerstag da sein, wenn am Mittersteig 10 die vierte Jobmeile über die Bühne geht. 30 potenzielle Arbeitgeber sollen hier mit Arbeitssuchenden ins Gespräch kommen. "Die Hallen werden voll sein", sagt Carla-Chefin Marianne Fritz. "Jeder, aber vor allem auch jene, die beim AMS arbeitslos gemeldet sind, ist willkommen." Martin Gantner