Chronik/Wien

1. KURIER-Stadtgespräch: Ringen um Flüchtlingsheim

Am Ende ließ man sie blöd sterben. "Wir wurden von der Politik im Stich gelassen." Nicht allein deshalb ist Herr Winterer sauer. Ziemlich sauer. Und er ist nicht der Einzige. Knapp 70 Favoritner kamen Donnerstagabend ins Wirtshaus zum Nepomuk. Eine Gasse weiter hat Flüchtlingshelferin Ute Bock mit 70 Flüchtlingen Quartier bezogen. Seither steht das Grätzl Kopf. Anrainer fürchten sich vor Drogen, Lärm und Gewalt. Der KURIER vermittelte und lud zum Stadtgespräch. "Ich bin hier als Anwältin unserer Leser", sagte die stellvertretende Chefredakteurin Martina Salomon. Mit ihr am Podium: Peter Hacker, Chef des Fonds Soziales Wien (FSW), Peter Wolf, ein ehemaliger Nachbar Bocks in der Leopoldstadt, und Bock selbst.

Angespannt

Die Stimmung war zu Beginn aufs Äußerste gespannt. Eine Diskussion schien schwierig. Zwischenzeitlich verließ eine ganze Tisch-Runde empört den Saal. Für Bocks Nachbarn geht es um viel: "Es geht um unsere Gemeinschaft", sagte ein Nachbar. Wer sich aufrege, werde ins rechte Eck gestellt. "Mit der FPÖ hat das aber nichts zu tun", ergänzte eine Anrainerin. Die Emotion müsse schlicht hier und jetzt raus, meinte ein Dritter.

Bock kam lange nicht aus der Defensive. Ihre Botschaft war aber klar: "Ich verstehe, dass Sie Angst haben. Und ich tue alles, um ein Miteinander zu ermöglichen." Sie warb auch um Verständnis: "Ich hoffe, Sie sehen aber ein, dass wir diese Leute nicht auf der Straße schlafen lassen können." Klar sei: "Wer sich nicht an Hausregeln hält, fliegt." Vielen Nachbarn schmeckte das noch zu sehr nach Beruhigungspillen.

Auf Gehör stieß Peter Hacker vom FSW. Die städtische Einrichtung zahlt Bock zwei Flüchtlingsberater. "Die Leute haben sich in der Vergangenheit nicht nur zu Unrecht geärgert", sagte er in Hinblick auf Bocks Geschichte und auf die städtische Informationspolitik. Er kündigte an, mit Bock Gespräche über die Zukunft der Postservicestelle zu führen. Mehrere Hundert Flüchtlinge kommen regelmäßig ins Heim, um Post abzuholen ohne hier zu wohnen. "Der Auflauf ist enorm", so eine Nachbarin. Hacker pflichtete bei: "Es wäre sinnvoller, die Poststelle auf mehrere Adressen in der Stadt aufzuteilen." Bock darauf: "Wenn Sie mir ein Lokal zur Verfügung stellen, gerne."

Bock kündigte auch an, dass sie für die Nacht Unterstützung in Anspruch nehmen werde. Viele trauen der 70-Jährigen nicht zu, mit 70 Asylwerbern klarzukommen.

In einem Punkt waren fast alle einig: "Es versteht kein Mensch mehr, dass Asylwerber nicht arbeiten dürfen und ihre Verfahren so lange dauern", sagte Hacker. Nachbar Robert Zichtl appellierte am Ende an die Vernunft: "Vielleicht wird das Bock-Haus ja zum Musterheim. Wir sollten alle daran arbeiten." An den KURIER gerichtet: "Bleiben Sie am Thema dran!"

"Machen wir", versprach Martina Salomon.

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Kicken für den guten Zweck

Unter dem Motto "Grenzenlos kicken" findet am Sonntag bereits zum vierten Mal der Ute-Bock-Cup auf dem Wiener Sportclub Platz (17., Alszeile 19) statt. 26 Teams werden ab 11 Uhr gegeneinander antreten. Der Rein­erlös des Benefiz-Fußballturniers, das von den Freunden der Friedhofstribüne organisiert wird, kommt dem Flüchtlingshilfsprojekt von Ute Bock zugute.

Aber auch Sportmuffel kommen bei dem Fußball-Fest auf ihre Kosten. Neben einer Live-Darbietung von der Poetry Slammerin Mieze Medusa und dem Hip-Hopper Tenderboy tritt "Drum:Bock", eine Trommelformation aus dem Ute Bock Haus, auf. Die Aftershowparty wird dann von dem DJ-Kollektiv "Wred" getragen.

Wer möchte, kann für den guten Zweck auf der "Creative Tribune" auch Haare lassen und mit einem komplett neuen Look vom Platz gehen. Für das leibliche Wohl gibt’s unter anderem Kaffee von der "Kaffeefabrik" und andere Schmankerln mehr.