Köln, der Katalysator aller Ressentiments
Von Evelyn Peternel
"Nach Köln", damit kann Diana Henniges nichts anfangen. Für die Sprecherin der Flüchtlingsinitiative "Moabit hilft" stammt der Begriff aus dem Repertoire der Flüchtlingsgegner, die damit die Wahrheit für sich beanspruchen: "Vor Köln" habe Deutschland im kollektiven Willkommens-Koma gelegen, "nach Köln" sei es aufgewacht, so die gängige Erzählart.
Klar, das ist eine verkürzte Sicht. Unbestreitbar ist aber, dass die Silvesternacht, in der Frauen massiv von Migranten sexuell belästigt wurden, viel verändert hat. Doch schon zuvor häuften sich Übergriffe auf Heime und Pegida paradierte in Dresden. Der Vorwurf, die Medien hätten nicht korrekt berichtet, die Polizei habe die Nationalität der Täter verschwiegen, ließ die Menge der Kritiker massiv wachsen – das spürten auch die Flüchtlingshelfer. Köln erwies sich als Katalysator aller Ressentiments, ob berechtigt oder nicht.
Während die Aufklärung nur schleppend vorankam – die Anzeigen stiegen seit Silvester von etwa 100 auf 1200 – beeilte sich die Politik: Um der aufstrebenden AfD keinen Raum zu geben, segnete die Regierung eilig Gesetze ab, die auch jene trafen, die mit Köln nichts zu tun hatten. In erster Linie waren die Angreifer Migranten aus dem Maghreb, die schon vor Jahren nach Deutschland gekommen waren; verschärft wurden aber auch Gesetze für Flüchtlinge aus Kriegsregionen.
"Diktatorin Merkel"
Auch die Wortwahl wurde extremer: "Es hat sich eine Sprache entwickelt, die vor einem Jahr undenkbar gewesen wäre", sagt Henniges, die wegen ihres Engagements unter Polizeischutz lebt – ihr kleiner Sohn war bedroht worden. In TV-Debatten wird von "Asylwahn" gesprochen, Merkel "Diktatorin" genannt. Ein Grund dafür ist die AfD, die solches Vokabular nutzt. Dass Pegida kaum noch Zuspruch hat, liegt an der AfD – die unzufriedene Mitte hat ein besseres Sprachrohr gefunden.
Diese Sprache haben sich auch andere Parteien zu eigen gemacht; selbst die Linke fischt in puncto Flüchtlinge weit rechts. Irrelevant ist dabei, was wirklich geschah: Die Bearbeitung der Anzeigen ist nicht abgeschlossen, die Strafprozesse haben erst begonnen. Ein Untersuchungsausschuss arbeitet sich an den Verantwortlichen ab – bisher ohne Ergebnisse. Die Debatte über Flüchtlinge ist indes noch schärfer als nach Silvester geworden.