Amoklauf von Winnenden: Vater muss zahlen
Von Evelyn Peternel
Die Leben von 15 Menschen lassen sich nicht mit Geld aufwiegen. Die Folgen, die eine so unfassbare Tat wie jene in Winnenden hat, aber schon.
Tim K., zum Zeitpunkt der Tat gerade mal 17 Jahre alt, nahm vor sechs Jahren 15 Menschen das Leben. Am 11. März 2009 stürmte er in seine ehemalige Schule in der Kleinstadt Winnenden, erschoss acht Mädchen, einen Burschen und drei Lehrerinnen. Auf der Flucht vor der Polizei tötete der Junge, der wegen seiner Gewaltfantasien in Behandlung war, einen Mitarbeiter der örtlichen Psychiatrie sowie zwei Angestellte eines Kfz-Betriebs. Zum Schluss richtete er sich selbst – all das mit einer Waffe, die er aus dem unabgesperrten Schrank seines Vaters hatte.
Kein Mitleid
Tims Vater, ein passionierter Sportschütze, stand dafür vor Gericht und wurde zu eineinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. Damals wandte sich heute 56-Jährige auch an die Hinterbliebenen und entschuldigte sich für die Tat seines Sohnes – er, der dem 17-Jährigen das Schießen selbst beigebracht hatte, fühle sich verantwortlich. Aber er wolle kein Mitleid.
An der finanzielle Verantwortung für die Tat hingegen schieden sich die Geister. Sowohl die Stadt Winnenden als auch die Unfallkasse, die nach dem Amoklauf erstmal die Folgekosten übernahm, wollten eine Beteiligung der Eltern des jungen Mann erreichen – beide Aufforderungen wurden zu Gerichtsfällen, die sich über Jahre zogen. Dort stellte sich die Frage: Haften Eltern, deren Sohn eine psychische Erkrankung hat, die selbst Waffen besitzen und ihrem Kind den Zugang zu eben diesen ermöglichen, für die Tat?
Das Landgericht Stuttgart hat dies nun mit einem Ja beantwortet – zumindest im Falle des Vaters. 717.000 Euro hatte die Unfallkasse von ihm und Tims Mutter für die Behandlungskosten von verletzten Schülern, die psychologische Nachsorge sowie für Bestattungskosten gefordert – der Richter sah die Versicherung nun im Recht. Zumindest der Vater muss für die Kosten aufkommen, in welcher Höhe sich sein Anteil bewegen wird, ist aber noch nicht festgesetzt. Tims Mutter hingegen haftet nicht – man sei nicht sicher, ob sie den Aufbewahrungsort der Waffe auch gekannt habe.
Klage gegen Klinik
Mit der Stadt, die mehrere Millionen gefordert hatte, und den Opferfamilien hatten sich Tims Eltern zuvor schon außergerichtlich geeinigt. Das Ehepaar, das mit seiner Tochter nach dem Amoklauf aus Winnenden wegzog und jetzt in Anonymität lebt, hat seinerseits aber jene Klinik geklagt, in der ihr Sohn in Behandlung war. Das Argument: Hätte man die Eltern auf die Gefährlichkeit des Sohnes hingewiesen, wäre die Tat zu verhindern gewesen.