Chronik/Welt

Tagebücher von Hitlers Chefideologen aufgetaucht

In den USA sind lange verschollene Tagebücher des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg wieder aufgetaucht. Vertreter des Washingtoner Holocaust-Museums und der US-Zollbehörde ICE präsentierten den spektakulären Fund am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Rosenberg galt als enger Vertrauter von Adolf Hitler, prägte mit seinen Schriften die Rassentheorien der Nationalsozialisten und war als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete für die Ermordung von Millionen Juden verantwortlich.

Bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde Rosenberg zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet. Seine Tagebücher waren seit dieser Zeit verschwunden. Nach ICE-Angaben befanden sich die Aufzeichnungen im Besitz des deutschen Anwalts Robert Kempner, der während des Zweiten Weltkriegs in die USA geflohen war und später bei den Nürnberger Prozessen als US-Ankläger arbeitete. Anschließend habe Kempner unerlaubt Nazi-Dokumente zurück in die USA gebracht.

Nach Kempners Tod im Jahr 1993 tauchten einige Aufzeichnungen auf, der größte Teil der Tagebücher blieb aber verschollen. Im November 2012 erhielten die US-Behörden dann einen Hinweis von einem Mitarbeiter des Holocaust-Museums. "Die Rosenberg-Tagebücher wurden anschließend geortet und beschlagnahmt", erklärte die ICE, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Die handschriftlichen Aufzeichnungen stammen aus den Jahren 1934 bis 1944. Historiker erhoffen sich von den Tagebüchern neue Erkenntnisse über die Judenvernichtung im Dritten Reich. "Um zu verstehen, warum der Holocaust geschah, ist Material von großer Bedeutung, das sowohl das Handeln von Tätern als auch von Opfern dokumentiert", sagte Sara Bloomfield, Direktorin des Holocaust-Museums in Washington.

1893: Am 12. Jänner als Sohn eines baltendeutschen Kaufmanns im russischen Reval (heute: Tallinn/Estland) geboren.

1917: Ingenieur-Diplom nach Studium in Reval und Moskau.

1918: Nach der Oktoberrevolution Flucht nach München, Bekanntschaft mit Adolf Hitler.

1920: NSDAP-Mitglied, antisemitische Hetzschriften veröffentlicht.

1923: Hauptschriftleiter des NS-Parteiorgans "Völkischer Beobachter"

1924: Vom inhaftierten Hitler als dessen Stellvertreter eingesetzt.

1930: NSDAP-Reichstagsabgeordneter, sein Hauptwerk "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" erscheint.

1934: "Beauftragter des Führers für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP"

1939: Organisation von Kunstraub aus besetzten Gebieten.

1941: "Reichsminister für besetzte Ostgebiete", mitverantwortlich für die Ermordung der Juden in Osteuropa.

1946: Am 16. Oktober vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zum Tode verurteilt und hingerichtet.