Säure, Intrigen und Sexpartys
Von Susanne Bobek
Die berühmteste Balletttruppe der Welt ist tief zerstritten. Nach dem Säureattentat auf den Ballettchef des Moskauer Bolschoi-Theaters werden immer mehr Intrigen um Rollen, Schwarzhandel mit Tickets und Sexpartys bei Oligarchen bekannt.
Wladimir Malachow, ein enger Freund des Moskauer Ballettchefs Sergej Filin und Intendant des Berliner Staatsballetts, sagt, dass es in Russland keine Zufriedenheit mehr gibt. Das Geld habe alles kaputtgemacht. Und er fragt im Spiegel: „Sind wir zurück im Zeitalter der Medici, als die Leute sich gegenseitig vergifteten?“
Sieht ganz so aus, wenn man den Berichten trauen kann, die jetzt bekannt werden.
Die Skandal-Ballerina
Anschlag am 17. Jänner
Der Ballettchef des Moskauer Bolschoi-Theaters wurde am späten Abend des 17. Jänners wie berichtet Opfer eines Säureanschlags. Der unbekannte Täter lauerte ihm vor seinem Wohnhaus auf. Dem 42-jährigen Sergej Filin, der beinahe sein Augenlicht verlor, steht ein Martyrium an Hauttransplantationen erst bevor. Nächste Woche wird der zum zweiten Mal verheiratete Vater dreier Buben in eine Spezialklinik in Aachen verlegt. Doch der Angriff auf seine Schönheit, um die er bewundert und beneidet wurde, scheint zu 100 Prozent gelungen. Der charismatische Filin war seit Monaten anonym bedroht worden. Im Dezember bat er um Personenschutz, doch der wurde ihm verwehrt.
Der Konkurrent
Es gehen bei „solchen Zwischenfällen“ (gemeint ist das Schwefelsäureattentat, das Augen, Gesicht und Kopfhaut verätzte) in der Ballettwelt um viel Geld und enttäuschte Liebe“, sagte Ziskardise in einem Interview. Zum interimistischen Nachfolger wurde er jedoch nicht bestellt. Diese Aufgabe übernimmt die 46-jährige Galina Stepanenko, eine frühere Solotänzerin. Filin will nach seiner Genesung zurück in seinen Job, den er 2011 übernommen hat, nachdem sein Vorgänger wegen eines Sexskandals hatte gehen müssen. Von ihm wurden pornografische, homoerotische Bilder an 3847 Empfänger gemailt. Homosexualität wird in Russland geächtet.
Dem Bolschoi fehle es an „Theater-Ethik“, sagt der angesehene Ballettchef bis 2008 Alexej Ratmanski. Er trat freiwillig zurück, weil er sich von der Truppe alleingelassen fühlte. Die internen Machtkämpfe widerten ihn an. „Es gibt nicht zuletzt halbverrückte Fanatiker, die den Konkurrenten ihrer Idole an die Gurgel gehen. Das Bolschoi ist krank“, sagt er.
Ticket-Spekulanten
Filin wollte das Schwarzmarkt-Unwesen mit Tickets beenden, denn die Ballett-Eintrittskarten sind oft nur für einige Hundert Euro erhältlich. Nicht an der Theaterkassa, sondern auf dem Schwarzmarkt. Dabei sollen auch Tänzer mitkassieren. Im Kreml wird der Anschlag auf den Ballettchef auch als Anschlag „auf das ganze Bolschoi-Theater und die russische Kultur“ gesehen. Vom Täter fehlt jede Spur.