Mama im Rollstuhl hebt Babyverbot im Senat auf
Von Dirk Hautkapp
Premieren gehören zum elementaren Bestandteil im Leben dieser Frau, deren Herzlichkeit aus der Nähe erlebt noch entwaffnender ist als auf dem Fernsehschirm: erste Abgeordnete des US-Bundesstaates Illinois mit asiatischen Wurzeln im Kongress von Washington; erste gebürtige Thailänderin ebendort; erste beidseitig beinamputierte Kriegsveteranin in der Herzkammer der US-Demokratie.
Tammy Duckworth hat so oft Geschichten geschrieben, die mit „zum ersten Mal“ beginnen, dass es manchen unheimlich wurde. Das neue „first“ treibt selbst hart gesottenen Zeitgenossen im oft unmenschlichen Politikgetriebe der Hauptstadt Tränen der Rührung in die Augen. Im Alter von 50 Jahren wurde die Demokratin am 9. April als erste Senatorin in der Geschichte der USA (mit medizinischer Hilfe) Mutter – mitten in ihrer Amtszeit.
Am Donnerstag sorgte sie abermals für ein Novum, weil sie die kleine Maile Pearl mit zur Arbeit brachte. Es galt bei knappen Mehrheitsverhältnissen über den neuen Chef der Raumfahrtbehörde NASA abzustimmen. Aber vorher musste die von Männern gemachte und penibel überwachte Hausordnung geändert werden. Mütter mit Babys waren darin bisher nicht vorgesehen.
In Irak schwer verletzt
Duckworth, die mit ihrem Ehemann Bryan Bowlsbey bereits die dreijährige Abigail hat, war 2004 im Irak-Krieg als Co-Pilotin eines Black-Hawk-Kampfhubschraubers auf einem Patrouillenflug mit einer Rakete von Aufständischen abgeschossen worden. Das Geschoß explodierte unter ihrem Sitz. Beide Beine mussten ihr in einer Notoperation abgenommen werden. Auch der rechte Arm wurde schwer verletzt.
Nach einem Jahr im Militärkrankenhaus und Dutzenden Operationen kehrte Duckworth auf High-tech-Prothesen ins Leben zurück. Und wie. „Ich werde meine Beine nicht zurückbekommen, und das ist so in Ordnung“, sagte sie in einem Interview, „aber wenn mir das Gelegenheit gibt, über die Dinge zu reden, die mir wichtig sind, Bildung zum Beispiel oder Arbeitsplätze, dann ist das wunderbar.“
Demokratische Spitzenpolitiker und Medien wurden schnell auf die mit dem „Purple Heart“-Orden ausgezeichnete Majorin aufmerksam. Duckworth kann neben ihrer Redegewandtheit und Fachkunde – sie hat einen Uni-Abschluss in internationalen Beziehungen – ein rares Gut in die Waagschale werfen, wenn sie über Krieg und Frieden spricht: Glaubwürdigkeit.
2012 gelang ihr der Sprung ins Repräsentantenhaus, vier Jahre später wechselte sie in den Senat. Dort hat sie sich mehrfach als unnachgiebige Kritikerin von Präsident Donald Trump eine Namen gemacht. Dass sich der Milliardär zu Zeiten des Vietnamkrieges wegen eines Fersensporns dem Militärdienst entzog, fehlt in fast keiner Rede der leidenschaftlichen Politikerin. Als der Präsident wenige Wochen nach dem von ihm verhängten Einreiseverbot für Menschen aus bestimmten islamisch geprägten Ländern vor dem Kongress sprach, nahm Duckworth demonstrativ einen iranischen Dolmetscher als Gast mit ins Kapitol.