Kleine Lohnerhöhungen für Textilarbeiterinnen
Von Susanne Bobek
Rund 30 Euro pro Monat verdient in Bangladesch eine Näherin in einer Textilfabrik. In den 6000 Fabriken des Landes arbeiten 3,5 Millionen Arbeiter unter teils grausamen Bedingungen. Erst seit dem Fabrikeinsturz mit mehr als 1200 Toten setzt langsam ein Umdenken ein, dass es so nicht weitergehen kann. Der Gewerkschaftsfunktionär Mohammad Abu Taher, der sich derzeit in Wien aufhält, will die Aufmerksamkeit nützen und gegen das Lohndumping ankämpfen. „Von 39 Dollar (30 €) kann man nicht leben. Wir fordern jetzt 120 Dollar Monatslohn. Aber das wird schwierig. 60 wären realistisch, 100 toll“, gibt er sich bescheiden. Nur fünf Prozent der Arbeiter sind gewerkschaftlich organisiert.
Immerhin haben bereits 31 Textilunternehmen, die in Bangladesch nähen lassen, ein Abkommen für Gebäudesicherheit und Brandschutz unterzeichnet, für das sich die NGOs von „Clean Clothes“ einsetzen. Wer das kontrollieren soll? Abu Taher sagt, dass die Gespräche zwischen Industrie, Gewerkschaft und Regierung jetzt besser laufen. Kontrollieren müssten Gewerkschaft, Beamte und Fabriksbesitzer. Das Abkommen soll auch garantieren, dass gefährliche Arbeit verweigert werden darf. Doch die Jobs sind mangels Alternativen begehrt. In der Praxis kämpfen die seit dem Fabrikeinsturz verletzten und arbeitslos gewordenen Menschen gerade um eine Lohnfortzahlung von sechs Wochen. Der Gewerkschafter aus Dhaka sagt: „Wir haben zwölf Wochen gefordert.“
Eine nach mehr als zwei Wochen aus den Trümmern einer eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch gerettete Frau hat das Krankenhaus wieder verlassen und gleich einen neuen Job angefangen. Sie sei "körperlich und geistig" wieder in Form, sagte die 18-Jährige mit dem Vornamen Reshma am Donnerstag. Seit ihrer wundersamen Bergung ist die junge Schneiderin, die nach eigener Aussage nie wieder in einer Textilfabrik arbeiten will, eine nationale Heldin.
"Ich fühle mich sehr gut", sagte Reshma. Als sie unter den Trümmern gelegen sei, habe sie nicht an ihr Überleben geglaubt, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. Der Militärarzt Chowdhury Hasan Suhrawardy erklärte bei einer Pressekonferenz, die Patientin sei "vollkommen wiederhergestellt". Die 18-Jährige war nach ihrer Rettung rund vier Wochen zur Behandlung in der Klinik.
Bis heute werde sie von Albträumen verfolgt, berichtete Reshma. "Nachts habe ich noch Angst (...). Wenn ich an diese Tage zurückdenke, fühle ich mich schlecht." Während der 17 Tage, die sie verschüttet war, hatte die junge Frau Wasser getrunken und ein wenig essen können, weil sie einige Sandwiches von Textilarbeitern gefunden hatte. Ihre spektakuläre Rettung am 10. Mai war von einer jubelnden Menge begleitet und live in mehreren Fernsehsendern übertragen worden - an dem Tag, für den die Armee das Ende der Bergungsarbeiten angekündigt hatte.
Jobangebote
Reshma war erst drei Wochen vor dem Unglück für ein Monatsgehalt von umgerechnet etwa 46 Euro eingestellt worden. Seitdem sie landesweit bekannt ist, erhielt sie mehrere Jobangebote von Hotels sowie Wohltätigkeitsorganisationen. Sie entschied sich inzwischen, im Luxushotel Westin in Dhaka eine Stelle anzutreten.
Fabrikeinsturz
Das Fabrikgebäude war am 24. April in Savar nahe der Hauptstadt Dhaka eingestürzt. Insgesamt wurden inzwischen mehr als 1100 Leichen geborgen. Zum Zeitpunkt des Unglücks sollen etwa 3000 Menschen in den Textilfabriken in dem Gebäude gearbeitet haben. Zwölf mutmaßliche Verantwortliche wurden nach dem Unglück festgenommen.