Chronik/Welt

Gewaltexzesse in Baltimore: Stadt im Ausnahmezustand

Brennende Autos, fliegende Steine, geplünderte Läden, Polizisten in Kampfmontur, Verhaftungen, Dutzende Verletzte – und zuletzt wieder Aufmarsch der Nationalgarde. Einmal mehr eskaliert die Gewalt in einer amerikanischen Großstadt. Einmal mehr nach dem gewaltsamen Tod eines jungen schwarzen Bürgers, der unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam starb.

Dieses Mal: Baltimore. Die größte Stadt des US-Bundesstaates Maryland trug am Montag den 25-jährigen Freddie Gray zu Grabe. Der hatte vor zwei Wochen den Fehler gemacht, im berüchtigten, von Gang-Kriminalität gezeichneten Stadtviertel Westbaltimore vor einer Polizeipatrouille davonzulaufen. Beamte zerrten ihn in einen Van. 45 Minuten später wurde er mit schwersten Rückenmarksverletzungen wieder hinausgetragen. Wie es dazu kam, dass seine Halswirbelsäule zu 80 Prozent durchtrennt war, wurde nicht aufgeklärt. Gray fiel ins Koma, eine Woche später war der junge Afro-Amerikaner tot.

Friedlicher Protest

Knapp 100.000 Menschen demonstrierten daraufhin vergangenes Wochenende in Baltimore friedlich gegen Polizeigewalt. Und friedlich, so erbat es sich die Familie von Freddie Gray, sollte auch der letzte Weg des jungen Mannes verlaufen.

Die Appelle verhallten ungehört: Hunderte junge Menschen zogen plündernd durch die 630.000 Einwohner zählende Stadt, zündeten Geschäfte an, durchtrennten Feuerwehrschläuche und gingen auf Polizisten los. Nach Worten ringend verurteilte die schwarze Bürgermeisterin Baltimores, Stephanie Rawlings-Blake, die „Vandalenakte. Es ist völlig idiotisch zu glauben, dass man das Leben für irgendjemanden in unserer Stadt besser macht, wenn man alles zerstört.“

Ausgangssperre

Noch in der Nacht wurde der Ausnahmezustand für die Stadt ausgerufen, ab zehn Uhr Abends bis fünf Uhr Früh herrscht nun Ausgangssperre. Bis zu 5000 Nationalgardisten stehen bereit, um neuerliche Gewaltexzesse zu verhindern.

Krawalle in Baltimore, in Ferguson, Cleveland – die Szenen wiederholen sich. Immer wieder explodiert der latente Konflikt zwischen amerikanischer Polizei und schwarzen Bürgern. Immer wieder, so der Vorwurf, dürften überwiegend weiße Polizisten übertriebene Härte gegenüber Afroamerikanern an den Tag legen, ohne je dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Im Durchschnitt werden jedes Jahr knapp hundert schwarze Männer von weißen Polizisten erschossen. Gerichtliche Folgen hatten die Beamten bisher so gut wie nie zu fürchten. Wiederholt hat sich in Baltimore aber auch die Tatsache, dass ein offensichtlich drängendes Problem der amerikanischen Gesellschaft wieder einmal von einer Gewaltorgie überrollt wird. Es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein.

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