Chronik/Welt

Einsatzkräfte bergen erste Opfer

Einen Tag nach der Flugzeugkatastrophe mit 150 Toten in Südfrankreich besuchte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Unglücksstelle. „Es ist eine wahrhafte Tragödie“ , sagte Merkel. Sie dankte den französischen Helfern für deren Einsatz: „Das ist ein Zeichen unglaublicher Freundschaft und Hilfe“, sagte Merkel, die gemeinsam mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und Frankreichs Staatschef François Hollande in Seyne-les-Alpes eingetroffen war.

François Hollande bekundete sein „tiefstes Mitgefühl“ gegenüber Rajoy und Merkel. Unter den Toten sind vor allem Deutsche und Spanier. „Wir verbeugen uns vor den Opfern dieser Katastrophe“, sagte Hollande. Er dankte den Sicherheitskräften, Behörden, Feuerwehrleuten und Gendarmen. „Leider war es nicht möglich, auch nur ein Opfer zu retten“, so der französische Präsident.

Hier geht es zu den Bildern von der Absturzstelle

Schwieriger Einsatz

Der Zugang zur Unglücksstelle ist extrem schwierig, das Gelände unwegsam. „Wir sind hier im Hochgebirge“, sagt Polizeichef David Galtier, der die mehr als 500 Einsatzkräfte koordiniert. Der Felsen im Massiv des Tête de l’Estrop, an dem der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings zerschellte, liegt etwa 15 Kilometer von Seyne-les-Alpes entfernt. Am Dienstagabend waren rund 50 Spezialkräfte zu Fuß gestartet, um zur Unglücksstelle vorzudringen. Über Nacht biwakierten sie im Freien – bei Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Über der Absturzstelle kreisen unablässig Hubschrauber. Die Maschinen brachten Helfer in den Steilhang, wo die Trümmerteile liegen. Laut dem Chef-Mediziner der Region Alpes-de-Haute-Provence, Frederic Petitjean, hat das Absturzgebiet eine Größe von fast vier Hektar, mit Höhenunterschieden von 150 bis 200 Metern auf einer Länge von 500 bis 600 Metern. Es gibt ausgewaschene Sandböden, instabile Stellen, Steigungen von 70 Prozent.

Gesucht wird auch nach dem zweiten Flugschreiber. Von diesem wurde bisher nur das Gehäuse gefunden. Der Stimmenrekorder konnte schon am Dienstag geborgen werden.

Letzter Kontakt

Die französische Untersuchungsbehörde BEA hat bereits auswertbare Daten sichergestellt. Stimmen und Geräusche seien zu hören, hieß es. Es sei aber noch nicht möglich, die geringste Erklärung für den Absturz zu geben.

In ihrem letzten Kontakt, am Dienstag um exakt 10.30 Uhr, mit der französischen Flugsicherung hätten die deutschen Piloten eine Routine-Mitteilung gemacht. Eine Minute später verlies die Maschine aber ihre Reiseflughöhe und begann einen Sinkflug von knapp 18 Metern pro Sekunde. Auf Versuche der Flugsicherungsorganisation, eine Funkverbindung herzustellen, antwortete Germanwings 4U9525 nicht. Um 10.40 Uhr verschwand die Maschine vom Radar. Die letzte angezeigte Flughöhe beträgt 1.890 Meter.

Bestätigt ist mittlerweile: Vor dem Absturz hat es keine Explosion gegeben. „Das Flugzeug ist bis zum Schluss geflogen“, teilte BEA-Direktor Remi Jouty mit.

Um 11.10 Uhr entdeckten französische Militärhubschrauber auf der Suche nach der Maschine das Wrack in den Bergen.

Der ehemalige Airline-Chef Niki Lauda glaubt, ein überraschendes Problem habe die Piloten handlungsunfähig gemacht: „Acht Minuten in so einem Zustand sind irrsinnig lang“, so Lauda im ORF. Die große Frage dabei sei vor allem, „warum die Piloten nicht in der Lage waren, sich zu melden“. Möglich sei etwa, dass die Piloten durch einen plötzlichen Druckverlust ohnmächtig wurden.

Angehörige vor Ort

Die ersten Angehörigen der Opfer kamen am Mittwoch im Unglücksgebiet an. Die Anteilnahme in der Region ist enorm. Hotels und Bewohner haben den Trauernden kostenlose Plätze angeboten. In Seyne-les-Alpes wurde eine Art Kapelle eingerichtet; eine Sporthalle ist für die Aufbahrung von Opfern vorgesehen. Unter großen Schwierigkeiten konnten Mittwoch Nachmittag die ersten der 150 verunglückten Flugzeuginsassen geborgen werden.

Beim Absturz der Germanwings-Maschine am Dienstag auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf sind, wie berichtet, alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Unter den Toten sind 72 Deutsche und 51 Spanier. Zudem waren Passagiere aus Australien, Argentinien, Iran, Venezuela, den USA, Großbritannien, Niederlande, Kolumbien, Mexiko, Japan, Dänemark, Belgien und Israel an Bord. Das Außenministerium in Wien hatte weiterhin keine Hinweise auf Österreicher unter den Passagieren.

Unter den Toten sind zwei prominente Opernsänger – die Altistin Maria Radner und der Bassbariton Oleg Bryjak. Die 34-jährige Deutsche, die als Expertin für das schwere deutsche Fach galt, war mit ihrem Mann und ihrem Baby an Bord der Unglücksmaschine. Der gebürtige Kasache Oleg Bryjak, 54, hatte sich ebenfalls im Universum Wagner – Strauss etabliert. Er war seit 1996 Ensemblemitglied der deutschen Oper am Rhein.

Rund 50 Angehörige versammelten sich am Düsseldorfer Flughafen. Sie wurden von rund 60 Notfall-Seelsorgern und Psychologen betreut. Lufthansa-Chef Carsten Spohr suchte die Trauernden auf und zeigte sich nach einem Gespräch mit ihnen erschüttert: „Das war mit Abstand das Schlimmste der letzten 20 Jahre – seit ich in dieser Branche bin“, sagte er.

An deutschen Flughäfen wurde mit einer Gedenkminute an die Opfer erinnert. Weltweit beteiligten sich zahlreiche Fluggesellschaften. In Berlin gedachte das Regierungskabinett mit einer Schweigeminute der Opfer. Auch in Spanien herrscht Trauer.