Die Jahrhundertheilige Mutter Teresa
Von Susanne Bobek
Mutter Teresa war "oft unbequem, nie aber verurteilend", schreibt Kardinal Christoph Schönborn über die "Jahrhundertheilige".
Ihr langjähriger Wegbegleiter aus Studententagen in Rom, Leo Maasburg, 68, sagt: "Sie war ein wohlwollender Diktator. Das trifft sie gut." Für den Priester und ehemaligen Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke Österreich war Mutter Teresa eine zutiefst spirituelle Frau, die sich als Werkzeug der Liebe Gottes zu uns Menschen gesehen hat.
Nur 19 Jahre nach ihrem Tod in Kolkata (früher Kalkutta) wird die katholische Nonne aus Albanien und Begründerin der "Missionarinnen der Nächstenliebe" von Papst Franziskus am Sonntag in Rom heiliggesprochen.
Verehrt wurde diese Frau seit den 1970er-Jahren, nachdem die BBC über "den Engel der Armen" berichtet hatte. Fortan pilgerten Königinnen, Prinzessinnen und First Ladys zu ihr, Mutter Teresa sammelte Spenden und gründete Armen- und Obdachlosenhäuser in aller Welt. Ihre Missionarinnen haben im Unterschied zu anderen Frauenorden keine Nachwuchssorgen.
Während die Mehrheit der Friedensnobelpreisträgerin von 1979 huldigte, sorgt der 1994 erstmals ausgestrahlte Film "Hell’s Angel" (auf YouTube) bis heute für Zwietracht, Zweifel und Kritik an ihrem Lebenswerk.
Der britisch-pakistanische Filmemacher Tariq Ali, 72, findet die bevorstehende Heiligsprechung "lächerlich und auch dumm". Mit seinem verstorbenen Kollegen Christopher Hitchens prangerte der Atheist und Linksaktivist mangelhafte medizinische und soziale Betreuung in Mutter Teresas Heimen an. Im Film warf man ihr vor, einen "Todes- und Leidenskult" geschaffen zu haben. Als "Wanderbotschafterin eines zutiefst politischen Papsttums" habe Mutter Teresa den damaligen haitianischen Diktator Jean-Claude Duvalier als "Mann des Volkes" gepriesen. "Der Teresienkult ist inzwischen zu einem multinationalen Missionsbetrieb geworden, der jährlich zweistellige Millionenbeträge umsetzt", sagt Tariq Ali. Doch für westliche Medien und Politiker sei Mutter Teresa zu einer Ikone der Barmherzigkeit in einer schlechten Welt geworden. Tariq Ali bezweifelt, dass der Film, "den wir damals gemacht haben, heute noch einmal in Auftrag gegeben oder gezeigt würde".
Leo Maasburg findet die Kritik an der als Anjezë (Agnes) Gonxha Bojaxhiu 1910 in Skopje (heute Mazedoien) geborenen Tochter eines Kaufmanns daneben. "Diese Kritik hat drei Wurzeln: Menschen, die mit dem Christentum nichts anfangen, haben auch mit der Lehre nichts am Hut. Zweitens gibt es ein tiefes Unwissen über die Bedingungen in der Dritten Welt. Und drittens war die politische Einmischung nicht ihre Berufung. Das ist die Unkenntnis darüber, was eine Ordensfrau ausmacht. In Wahrheit hat sie auch politisch viel bewegt."
"Ich bin ein Bleistift in Gottes Hand, der den Menschen einen Liebesbrief schreibt", habe Mutter Teresa oft gesagt. Ihre inneren Zweifel im Glauben gehörten jedenfalls genauso zu ihrem Leben wie der Schmerz. Bereits mit zwölf Jahren wusste das Mädchen aus Albanien, was seine Bestimmung war.