Chronik/Welt

Deutschland: Dutzende mögliche Opfer von Krankenpfleger entdeckt

Die Mordserie des ehemaligen Krankenpflegers Niels H. ist noch umfassender als bisher bekannt. Der bereits wegen Mordes verurteilte H. habe vor seinen Taten im Klinikum Delmenhorst auch im Klinikum Oldenburg mehrere Patienten getötet, teilten die Ermittler mit. H. hatte bestritten, bereits in Oldenburg Menschen getötet zu haben.

Von 99 exhumierten ehemaligen Patienten des Klinikums Delmenhorst seien zudem bei 27 Rückstände eines Herzmedikaments entdeckt worden, sagte der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme.

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Verstorbene Patienten exhumiert

Die Sonderkommission "Kardio" hatte seit November 2014 mit mehr als einem Dutzend Beamter alle Todesfälle aus H.s Dienstzeit in Delmenhorst und Oldenburg untersucht. Dafür durchforsteten die Ermittler alte Krankenakten nach möglichen Hinweisen und exhumierten alle nicht feuerbestatteten verstorbenen Patienten aus den fraglichen Zeiträumen.

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Rückstände eines Herzmedikaments

Im April war die Zahl der möglichen Mordopfer von Niels H. zuletzt auf 24 gestiegen. Nach der Exhumierung von drei verstorbenen Patienten konnten die Ermittler Rückstände eines Herzmedikaments nachweisen. H. hatte Patienten 30 bis 40 Milliliter des Mediakents Gilurytmal mit dem Wirkstoff Ajmalin gespritzt. In einer Überdosis kann das Mittel lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, Kammerflimmern und Blutdruckabfall verursachen. Wenn sich der Zustand eines Patienten verschlechterte, reanimierte H. - oft vergeblich.

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Für Tod von bis zu 30 Menschen verantwortlich

Wegen fünf Taten sitzt H. bereits lebenslang in Haft. Zudem erteilte das Gericht lebenslanges Berufsverbot und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Vor Gericht hatte H. gestanden, für den Tod von bis zu 30 Menschen verantwortlich zu sein.

Niels H. wollte sich "Kick" verschaffen

Die Richter des Oldenburger Landgerichts kamen zu der Einschätzung, dass H. durch Wiederbelebungen vor Kollegen "glänzen" und sich einen "Kick" verschaffen wollte. Sie sprachen von Taten, in denen eine beängstigende "Unmenschlichkeit" zum Ausdruck komme.

H. war bereits 2005 unter Verdacht geraten und 2006 zu fünf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt, arbeitete bis zu seinem Haftantritt 2009 aber weiter. Wegen der erst spät eingeleiteten systematischen Nachforschungen in dem Fall gerieten auch die Ermittlungsbehörden in die Kritik. Gerichte lehnten einen Prozess gegen einen Staatsanwalt aber mangels ausreichenden Tatverdachts ab.

ÖSTERREICH, 1989: Das Wiener Krankenhaus Lainz erlangt durch eine Mordserie traurige Berühmtheit. Vier Krankenschwestern werden insgesamt 42 Tötungsdelikte an betagten, bettlägerigen und ihnen lästigen Patienten vorgeworfen. Den beiden Hauptbeschuldigten können schließlich 20 Morde und 19 Mordversuche nachgewiesen werden. Sie werden 1991 zu lebenslanger Haft verurteilt und 2008 bedingt entlassen.

NIEDERLANDE, 2004: Wegen Mordes an sieben Patienten muss eine Krankenschwester lebenslang hinter Gitter. Sie hatte Alte und Kinder in Den Haag mit überdosierten Medikamenten getötet.

DEUTSCHLAND, 2006: Der sogenannte "Todespfleger" von Sonthofen muss lebenslang ins Gefängnis. Nach Überzeugung der Richter hat der Mann 28 meist alte und zum Teil schwer kranke Patienten zu Tode gespritzt.

DEUTSCHLAND, 2007: Wegen fünffachen Mordes an schwer kranken Patienten wird eine Ex-Krankenschwester der Berliner Charite zu lebenslanger Haft verurteilt. Sie brachte ihre Opfer mit Medikamenten um.

TSCHECHIEN, 2008: Wegen siebenfachen Mordes wird ein Krankenpfleger zu lebenslanger Haft verurteilt. In einem ostböhmischen Krankenhaus hatte er Patienten mit einem Blutverdünnungsmittel zu Tode gespritzt.

GROSSBRITANNIEN, 2015: Ein Krankenpfleger muss wegen Mordes für mindestens 35 Jahre ins Gefängnis. Er hatte Patienten nahe Manchester mit einer Überdosis Insulin getötet.

ITALIEN, 2016: Ein Krankenschwester wird festgenommen, weil sie im einem Krankenhaus in der Toskana 13 Menschen vorsätzlich getötet haben soll. Die Frau spritze laut Polizei 2014 und 2015 den Patienten einer Intensivstation erhöhte Dosen eines Medikamentes.