US-Milliardär soll dutzende Minderjährige missbraucht haben
Von Dirk Hautkapp
Die Sätze sind 17 Jahre alt, stammen aus einem Interview mit Donald Trump und wirbeln seit Montag so viel alten Staub auf, dass im politischen Washington viele trotz Hochsommerschwüle husten müssen: "Großartiger Typ. Ich kenne Jeff seit 15 Jahren. Macht viel Spaß, mit ihm zusammen zu sein. Man sagt sogar, dass er so wie ich schöne Frauen mag. Und viele von ihnen sind jünger. Kein Zweifel – Jeff genießt sein Gesellschaftsleben."
Nun, der "großartige Typ" ist Jeffrey Epstein, 66. Einer, der es in New York als Hedgefonds-Manager durch Geldvermehrung für extrem reiche Dritte zum Milliardär mit Promi-Bekanntenkreis gebracht hat. Ex-Präsident Bill Clinton, Englands Skandal-Prinz Andrew, Sohn der Queen, und Leslie Wexner, CEO des Damenunterwäsche-Fachhandels Victoria’s Secret, gehören dazu. Und – viele Fotos belegen das – Donald Trump. Man kannte sich vom regelmäßigen Partymachen.
Dass Amerikas Präsident heute noch die Nähe zu dem grau melierten Junggesellen suchen würde, ist wohl auszuschließen. Epstein sitzt hinter Gittern. Er ist angeklagt, über Jahre Dutzende minderjährige Mädchen, manche sollen erst 14 gewesen sein, sexuell missbraucht und ausgebeutet zu haben; persönlich und womöglich durch die Vermittlung an Dritte.
Die anklagenden Staatsanwälte in New York leiten aus der möglichen Maximal-Strafe von 45 Jahren und Epsteins Besitz von zwei Privat-Flugzeugen ein "außergewöhnlich hohes" Flucht-Risiko ab. Sie wollen Untersuchungshaft bis zum Prozessbeginn.
Die Verteidiger von Epstein, der am Montag in blauer Knast-Kluft vor dem Richter "auf nicht schuldig" plädierte, wollen ihn auf Kaution freikriegen. Bisher vergeblich. Ihr Mandant hätte ein "gesetzestreues" Leben geführt. Jedenfalls seit 2008.
Anklage verworfen
In jenem Jahr gelang dem Finanz-Jongleur ein juristisches Kunststück. Weil Epstein blutjunge Mädchen in Florida zur illegalen Prostitution gezwungen haben soll, bastelte der seinerzeitige Bundesstaatsanwalt Alexander Acosta eine 53-seitige Anklage zusammen. Sie hätte Epstein bis ans Lebensende ins Gefängnis bringen können.
Nach einem Geheimtreffen mit Epsteins Anwalt verwarf Acosta die Anklage jedoch überraschend. Epstein bekannte sich – nachdem ihm Immunisierung vor bundesstrafrechtlicher Verfolgung zugesichert wurde – nach dem Recht des Staates Florida in zwei kleinen Fällen schuldig.
Er ließ sich als pädophiler Sextäter registrieren und kam mit 13 Monaten Haftstrafe im Palm Beach County-Gefängnis davon; gelegen ganz in der Nähe seines Anwesens in der Nachbarschaft von Donald Trumps Domizil Mar-a-Lago.
Täglicher Freigang ließ die Zeit für Epstein wie im Flug vergehen. Fast so als wäre nichts geschehen, kehrte der Investment-Banker bald danach in sein Jetsetter-Leben zurück, zu dem mehrere exquisite Wohnsitze in den USA und in Europa gehören.
Erst da erfuhren die Opfer von der Geheim-Absprache, die inzwischen von einem Bundesrichter beanstandet wurde. Dass Acosta dafür gesorgt hatte, dass auch "potenzielle Ko-Verschwörer Epsteins" von Bundesanwälten unbehelligt blieben, löste die unbeantwortete Frage aus:
Minister unter Beschuss
Welcher Promi steckt noch in diesem Sex-Skandal? Noch delikater: Acosta ist heute Trumps Arbeits- und Sozialminister. Die Demokraten und Tausende in Sozialen Netzwerken fordern seinen Rauswurf.
Dass die Chose erneut groß in die Schlagzeilen geriet, liegt auch an der Hartnäckigkeit von Julie Brown. Die preisgekrönte Investigativ-Reporterin des Miami Herald hat den Fall Epstein über Jahre nachverfolgt, acht Opfer des Sex-Handels (es soll fast 80 geben...) zu öffentlichen Bekenntnissen gebracht und mit ihrem Report "Perversion des Rechts" das Interesse der Staatsanwälte in New York geweckt.
Dort ist man nicht an Acostas Vorzugspaket für Epstein gebunden. Verjährungsfristen für Sexhandel mit Minderjährigen gibt es auf Bundesebene nicht. Und weil Epstein seinen Trieben laut Anklage auch in seinem Sieben-Etagen-Luxus-Haus an der Upper East von New York nachging, schlugen die Fahnder am Wochenende zu.
Auf der Rückkehr aus Paris klickten für Epstein am Flughafen von Teterboro bei New York die Handschellen. Bei der Durchsuchung seines Hauses entdeckte man laut Staatsanwalt Geoffrey Berman in einem Safe "Hunderte, wenn nicht Tausende Fotos nackter, offenbar minderjähriger Mädchen".
Was Bill Sweeney, der leitende Ermittler der Bundespolizei FBI, vortrug, hatte es in sich. Epstein hat nach seinen Worten bis mindestens 2005 "absichtsvoll" Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht und dabei ein "immer größeres Netz neuer Opfer geschaffen".
Seine Masche: Er bestellte sich mithilfe von drei Bediensteten die meist aus sozial schwachen Verhältnissen stammenden Zielpersonen zur Massage. Die Mädchen mussten "nackt oder halbnackt" Hand anlegen. Was als Lockerungsübung annonciert war, endete mit Sex, für den Epstein jeweils "mehrere hundert Dollar" zahlte. Und noch was drauf legte, wenn Mädchen A) sich umhörte und Mädchen B) vermittelte.
Sweeney geht offenbar davon aus, dass es noch mehr Betroffene gibt. Er rief potenzielle Opfer dazu auf, sich an das FBI zu wenden. "Egal, wie lange es her ist. Der Fall Epstein wird mit höchster Priorität behandelt."
Clinton distanziert sich
Donald Trump hat sich bisher nicht zu den Vorwürfen gegen den "großartigen Typen" von 2002 geäußert. Nur Bill Clinton hat sich gerührt. Der Ex-Präsident ließ sich mehrmals von Epsteins Privat-Maschinen durch die Welt fliegen. Von den "schrecklichen Verbrechen", die seinem ehemaligen Gönner zur Last gelegt werden, wisse er nichts.