Chronik/Welt

Sputnik: Russland vermeldet "Meilenstein", doch Zweifel wachsen

Die täglichen Jubelmeldungen in Russland zum Corona-Impfstoff Sputnik V erinnern an die Tage, als die stolze Raumfahrtnation als erste ins Weltall vordrang. Deshalb ist das Vakzin auch nach dem ersten Satelliten - dem Sputnik - benannt, wie der Chef des staatlichen russischen Direktinvestmentfonds RDIF, Kirill Dmitrijew, stolz hervorhebt.

Gerade erst hat Russlands oberster Vermarkter des Präparats die Weltpresse zusammengerufen, um von neuen Erfolgen zu berichten. "Indien ist das 60. Land, das Sputnik V zugelassen hat. Ein Meilenstein."

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Doch eine EU-Zulassung ist weiter nicht in Sicht. Aktuell sind Experten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in Russland unterwegs, weil sie viele Fragen haben zu den bisher vorgelegten russischen Daten. Sie besuchen Kliniken, in denen geimpft wird, Produktionsstätten und Lagerräume. Eine Entscheidung erwartet der Gesundheitsexperte Jérôme Lepeintre bei der EU-Vertretung in Moskau aber erst im Juni oder Juli. 

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) will Sputnik schon früher auch in Österreich einsetzen. Ende März sagte er, man sei in den Verhandlungen mit Moskau "auf den letzten Metern" und eine Bestellung "kann wahrscheinlich schon nächste Woche erfolgen", mit der Lieferung von insgesamt einer Million Dosen bis Anfang Juni.

Unklar ist, ob Moskau den Impfstoff auch schon vor einer Zulassung nach Österreich liefern wird. Mit dem Nachbarland Slowakei gibt es diesbezüglich nämlich Probleme, weil die Gesundheitsbehörden dem eigenmächtig vom mittlerweile gestürzten Premier Igor Matovic ins Land geholten Serum keinen Persilschein ausstellen wollen.

Drei Milliarden Menschen lebten in den 60 Ländern, die bisher Sputnik zugelassen hätten - ein riesiges Potenzial, betont Dmitrijew. Nun sehnt er noch die EU-Zulassung herbei. Sputnik soll zum Exportschlager werden. Doch im internationalen Vergleich zu den Präparaten etwa von Biontech/Pfizer und Moderna fällt das Mittel deutlich ab.

Russlands Impf-Funktionäre sehen sich seit langem Kritik ausgesetzt, sie würden nicht transparent mit Zahlen umgehen. Unabhängige Experten gehen davon aus, dass Russland nur einen kleinen Bruchteil seiner bisher international zugesagten Dosen überhaupt liefern kann. Gut eine Million Sputnik-Dosen hat allein Ungarn erhalten nach offiziellen Angaben. Das Land hat als einziges EU-Mitglied das Vakzin national zugelassen, ohne die EMA-Entscheidung abzuwarten.

Sputnik erobert die Welt

Wer im russischen Staatsfernsehen Reportagen von groß inszenierten Sputnik-V-Transporten etwa nach Lateinamerika sieht, bekommt rasch den Eindruck, dass der Impfstoff die Welt erobert. Westliche Präparate spielen da keine Rolle. Dabei klagen sogar viele Regionen in Russland über Lieferengpässe, wie selbst der russische Präsident Wladimir Putin einräumen musste. Nach Putins Angaben haben erst 4,3 Millionen Menschen die beiden notwendigen Spritzen erhalten. Das sind knapp drei Prozent der 146 Millionen Einwohner.

In Österreich liegt die entsprechende Impfquote mit gut sieben Prozent mehr als doppelt so hoch. Wie in der Raumfahrt vergleicht sich Russland aber am liebsten mit den USA, wo die Impfquote bei über 20 Prozent liegt - das sind mehr als 70 Millionen komplett Geimpfte. Die offiziellen Statistiken in Russland weisen lediglich die Neuinfektionen von täglich unter 10.000 Fällen und die Todeszahlen von über 300 am Tag aus. Keine Impfzahlen.

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Russland hat neben dem international bekannten Impfstoff Sputnik zwei weitere: EpiVacCorona und CoviVac; es seien "die besten Vakzine der Welt", sagte Putin. Der 68-Jährige hat sich zwar seine erste Spritze verpassen lassen, ließ aber nicht mitteilen, für welchen Impfstoff er sich entschied. Allerdings machte er zuletzt immer wieder Dampf, dass bei der Produktion zugelegt werden solle. Abseits von Moskau, wo Impfungen sogar beim Shoppen im Einkaufszentrum möglich sind, gibt es in der Provinz oft lange Wartezeiten.

RDIF-Chef Dmitrijew kündigt nun an, dass Indien bald der internationale Hauptproduktionsstandort für Sputnik V werden solle. Fünf Produktionsstätten seien schon fest vereinbart. Weitere sollen hinzukommen. "Ab dem Sommer können dort 50 Millionen Dosen monatlich abgefüllt werden." Auch in China und in Korea wolle Russland den von Moskauer Gamaleja-Institut entwickelten Impfstoff produzieren lassen.