Aufreger Impfpflicht: Italiens Pflegepersonal zieht vor Gericht
Aus Mailand, Andrea Affaticati
Bei Italiens Verwaltungsgerichten türmen sich die Einsprüche von Berufstätigen im Sanitäts- und Pflegebereich gegen die Covid-19-Impfpflicht und die strafrechtlichen Maßnahmen im Fall von Verweigerung. Das Gesetz ist am 1. Juni in Kraft getreten und sieht als Maßnahmen entweder die Versetzung auf einen Posten vor, der keinen Kontakt mit dem Patienten/Angehörigen hat, oder die Suspendierung bis Jahresende.
Schätzungen zufolge sollen es über 42.000 Berufstätige sein, die sich der Verordnung widersetzen. Davon haben 1.750 Einspruch bei den regionalen Verwaltungsgerichten hinterlegt. Die Verweigerer seien nicht zwingend Impfgegner, heben ihre Verteidiger hervor. Ihre Haltung wird auch von der Sorge getragen, was eventuelle Nebenwirkungen betrifft.
Auf juristischer Basis geht es aber um anderes. „Im Gesetz sind die Begründungen nicht eindeutig“, erklärt Anwalt und Arbeitsrechtsexperte Riccardo Baro dem KURIER. „Das Gesetz begründet die Impfpflicht mit zwei Argumenten: Zum einen, mit der Notwendigkeit, das Infektionsrisiko in Spitälern, Pflege- und Altersheimen unter Kontrolle zu halten; zum zweiten, um vorbeugend gegen die Ansteckung zu handeln.“ Was das erste Argument angeht, so gelte das eigentlich für die ganze Gesellschaft, meint der Anwalt. Eine Krankenschwester, die hinter einem Schalter Verwaltungsarbeit mache, sei nicht gefährlicher als ein Bankangestellter. Warum sollte sie sich also impfen lassen?
„Die jetzigen Impfungen schützen vor einem lebensgefährlichen Krankheitsverlauf, nicht vor der Ansteckung mit Covid-19“, widerspricht der Anwalt in Teilen der wissenschaftlichen Lehre. Filippo Anelli, Vorsitzender der Ärztekammer, hält dagegen: „Ein Arzt, der nicht an Impfungen glaubt, ist wie ein Ingenieur, der der Mathematik nicht traut.“ Am Mittwoch wird die erste Stellungnahme zum Einspruch wegen Verfassungswidrigkeit erwartet. Sollte das Verwaltungsgericht dem zustimmen, wäre das Verfassungsgericht am Zug.