"Wir bilden keine Lehrlinge aus, wir erziehen sie"
Von Jürgen Zahrl
"Ich hab’ nach der Sommerpause mein Kaffeehaus noch nicht aufsperren können, weil mir drei Kellner fehlen. Und das, obwohl es 460.000 Arbeitslose gibt", ärgert sich Günter Hager aus Linz. Unmotivierte Probearbeiter, bürokratische Hürden, selbst ernannte Rauchsheriffs und Vernaderungen in sozialen Medien bringen den 61-Jährigen oft in ein Gefühlschaos, das sich zwischen Zorn und Enttäuschung bewegt. Dem oö. Szenewirt ist nun der Kragen geplatzt, er rechnet in seinem Buch "Fucking Gastro", das im Oktober erscheint, unmissverständlich mit der Branche ab.
"Was ich in den letzten 45 Jahren als Koch und Gastwirt erlebt habe, entspricht dem Fronteinsatz eines Elitesoldaten im Krieg", behauptet der 61-jährige Gastwirt, der in der Linzer City das "Stadtbräu Josef" mit mehr als 300 Sitzplätzen und 56 Mitarbeitern führt. Obwohl er ein Organisationstalent ist, stößt er oft an Grenzen. "Der Gast ist gnadenlos. Sobald ihm irgendetwas nicht passt, steht das kurze Zeit später im Internet. Auch dann, wenn man als Wirt nichts dafür kann", betont Hager und spricht vor allem die Personal-Problematik an. "Viele Probearbeiter können nicht mal ein Glas auf einem Tablet richtig tragen. Trotzdem muss man ihnen eine Chance geben, weil es keine anderen Mitarbeiter gibt. Und Lehrlinge müssen wir zuerst erziehen, bevor wir sie ausbilden können, weil ihnen die Basis fehlt, um etwa bitte oder danke zu sagen", sagt der Linzer. Weil er kaum noch Personal findet, muss er sogar selber oft zum Putztuch greifen, um etwa die WC-Anlagen zu reinigen.
Weniger die Beamten als viel mehr "sonderbare Gestalten" sind seine Feindbilder: Die selbst ernannten Rauchsheriffs nennt er "Nichtraucherterroristen", weil sie aus seiner Sicht oftmals bösartig handeln und deftige Postings im Internet formulieren. "Um einen besonders hohen Schaden anzurichten, garniert man die Kritik am angeblich fehlenden Nichtraucherschutz auch gerne mit aus der Luft gegriffenen Behauptungen über die Qualität der ‚verqualmten Speisen‘ oder das ‚Fehlverhalten‘ der Mitarbeiter", schreibt Hager in seiner Streitschrift.
Frustbewältigung
Obwohl er sein Buch vorrangig als persönliche Frustbewältigung sieht, hofft er, dass dadurch ein Umdenken möglich wird. Denn schon 2018 folgt mit dem generellen Rauchverbot die nächste Bewährungsprobe. Hager rechnet mit Einbußen von 20 Prozent. Nach der Allergene-Verordnung, Registrierkassenpflicht und weiteren Steuer-Schikanen die nächste finanzielle Ohrfeige. "Zwar haben wir längst ein Raunzer-Image, aber die Kritik ist berechtigt", meint Hager.
Auch wenn Mario Pulker, Bundesobmann der Gastronomie in der Wirtschaftskammer, der Ansicht vollinhaltlich zustimmt, ist er mit dem Buchtitel nicht glücklich: "Der stellt die Branche in ein schlechtes Licht und fördert keine sachliche Debatte."