Wieso Badewaschel immer schwieriger zu finden sind
Von Johanna Kreid
Der Wiener Dialekt kennt allerlei Synonyme. Da wird der Polizist zum Kiberer, der Bestatter zum Pompfüneberer, der Bademeister zum Badewaschel. Und wer nichts arbeitet, der ist hockenstad.
Letzteren Zustand zog so mancher zuletzt offenbar einem Dasein als Badewaschel vor: Die Rekrutierung für die aktuelle Saison war schwierig, vor Kurzem fehlten noch circa 30 bis 50 Bademeister für die städtischen Freibäder in Wien.
„Früher fanden wir 200 Leute im Jahr, heute ist das nicht mehr so einfach“, erzählt Martin Kotinsky von der für die Bäder zuständigen MA 44. Woran das liege? „Dass der Posten nicht fix ist, ist ein ziemliches Problem“, sagt Kotinsky. Denn Freibad-Badewaschel ist man nur von April bis Ende September. „Das drückt dann halt auch bei der Pensionsberechnung.“
"Zu heiß"
Zwar habe man zu Saisonbeginn genügend Personal gehabt. „Aber dann rennen ein paar davon. Dem einen hat es im Mai zu viel geregnet, das packt er psychisch ned. Dem anderen war es im Juni zu heiß, der packt das wieder nicht“, erzählt Kotinsky.
Dabei gebe es durchaus Argumente, die für den Job sprechen: Die Gehälter etwa wurden im Vorjahr um rund 200 Euro erhöht. Ein Bassin-Aufseher – so heißt der Badewaschel wirklich – kommt auf 1.925 Euro brutto, Überstunden werden bezahlt. Und: Das Alter ist kein Hindernis. „Ob jemand 20 oder 57 ist, ist egal“, betont Kotinsky. Das sei doch auch eine Chance für ältere Arbeitslose.
Genau diese hat Johannes Dornhofer ergriffen. Er war in verschiedenen Bereichen tätig, von Marketing über Logistik bis hin zur Bekämpfung von Kreditkartenbetrug.
Er war älter als 50 Jahre, arbeitslos und nach mehr als 200 erfolglosen Bewerbungen einigermaßen entmutigt.
Eines Sonntags im Jahr 2013 war er schwimmen im Höpflerbad in Wien-Liesing und kam mit dem Bademeister ins Gespräch. „Er hat mir erzählt, dass sie Personal suchen. Und ich hab’ mir gedacht, vielleicht nehmen sie einen alten Knacker wie mich“, erzählt er und lacht.
Spontane Bewerbung
Sonntagabend noch schickte er seinen Lebenslauf ab, am Montag um 7.45 Uhr kam die Antwort: Ob er um 11 Uhr Zeit habe, bei der Schwimmprüfung im Amalienbad anzutreten. Er hatte, er schwamm, er bestand – und bekam um 14 Uhr die Jobzusage. Seine erste Saison arbeitete er im Laaerbergbad.
„Das war gut zum Lernen. Da treffen verschiedene Ethnien aufeinander, da gibt es auch Konflikte, da ist viel zu tun.“
Vier mal habe er im ersten Sommer Menschen erfolgreich aus dem Becken gerettet. Nur einmal, einige Jahre später, kam jede Hilfe zu spät: 2017 erlitt ein achtjähriger Syrer im Wasser einen Krampf, er wurde bewusstlos. „Wir haben ihn sofort aus dem Becken gezogen und reanimiert, der Rettungshubschrauber kam und ist auf der Wiese gelandet“, erzählt Dornhofer. Dennoch starb der Bub im Spital.
Verbotene Sprünge
Dies war freilich eine Extremsituation, in der Regel muss er sich im Alltag mit Harmloserem befassen: „Reinstoßen oder unerlaubtes Reinspringen ist oft ein Thema. Und auf den Boden spucken ist derzeit sehr modern“, sagt Dornhofer. Wichtig sei, ruhig zu bleiben. „Und verständlich erklären, warum die Regeln sinnvoll sind. Man braucht eine natürliche Autorität“, sagt der 59-Jährige – der mittlerweile dort arbeitet, wo alles begann: im Höpflerbad.
Bei der Stadt Wien hat man übrigens auf den letzten Drücker doch noch genügend Personal gefunden, bestätigt man bei der MA 44.
Doch der nächste Sommer kommt bestimmt. Und damit vielleicht die Chance für jemand neuen, den Badewaschel in sich zu entdecken. Denn nächste Saison wird Dornhofer aussetzen. Da widmet er sich dann der Betreuung seiner eineinhalbjährigen Tochter.