Wiener Ärztekammer: Steinhart schaltet Stadtrat Hacker ein
Die angespannte Lage in der Wiener Ärztekammer hat sich am Dienstag weiter verschärft. Sowohl Präsident Johannes Steinhart, als auch seine Kontrahenten Vizepräsident Stefan Ferenci und Kurienobmann Eric Randall Huber sind in die Offensive gegangen.
Steinhart stellt via Brief an Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) den Antrag, Huber des Amtes zu entheben. Huber sei, ist dort zu lesen, " nicht (mehr) in der Lage, die Kurie zu führen". Relevante wesentliche Entscheidungen könnten nicht mehr diskutiert und beschlossen werden, er handle auch nicht mehr im Interesse der Mehrheit der Mitglieder.
Ein Vorfall haben Steinharts "Zweifel an der Eignung von Herrn Dr. Huber als Kurienobmann endgültig erhärtet": Er soll ein ein anwaltliches Gutachten zu einer Frage gefordert haben, die laut Steinhart schon von der Aufsichtsbehörde (MA40) geklärt gewesen sein. Huber soll eine Anwaltskanzlei persönlich ausgewählt haben, eine Summe von 10.000 Euro wurde veranschlagt. Laut Steinharts Schreiben soll Huber den von der Kurienversammlung gewählten Finanzreferenten für befangen erklärt haben und eine Vertraute als Finanzreferentin eingesetzt haben, um die Freigabe für die 10.000 Euro zu erhalten.
Strafrechtliche Prüfung
Steinhart will alle Vorkommnisse auch einer strafrechtlichen Detailprüfung unterziehen und gegebenen falls auch die Strafbehörden einschalten.
Steinhart wiederum sieht sich mit einer Rücktrittsaufforderung des Präsidiums der Wiener Kammer konfrontiert. In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz am Dienstag forderten alle anderen vier Präsidiumsmitglieder den sofortigen Rückzugs Steinharts aus dem Präsidentenamt. Vizepräsident Stefan Ferenci warf ihm nach einer turbulenten Kuriensitzung am Freitag etwa vor, antidemokratische Methoden gutzuheißen.
Vizepräsidenten geschlossen
Alle drei Vizepräsidenten - Stefan Ferenci, Erik Randall Huber und Stefan Konrad - sowie Finanzreferent Frederic Tömböl sprachen sich für den Abzug Steinharts aus dem fünfköpfigen Gremium aus. Anlass für die Rücktrittsaufforderung sind die Vorgänge rund um eine außerordentliche Sitzung der Kurie der niedergelassenen Ärzte vom vergangenen Freitag, über die es seitens der der Konfliktparteien unterschiedliche Auffassungen gibt.
Steinhart wehrt sich
Kammerpräsident Steinhart hatte bereits zuvor am Dienstagvormittag neuerlich erklärt, in besagter Sitzung sei Kurien-Obmann Huber Befangenheit zu bestimmten Themen und Anträgen ausgesprochen worden. Sechs Fraktionen hätten befürwortet, dies zu tun. Nachdem Huber sich geweigert habe, dieses Abstimmungsergebnis zur Kenntnis zu nehmen und den Raum zu verlassen, seien die Mandatare dieser sechs Fraktionen gezwungen gewesen, den Sitzungssaal zu wechseln. "Die Sitzung konnte dort konstruktiv und lösungsorientiert fortgesetzt werden", hielt Steinhart am Dienstagvormittag fest.
"Zerrüttet"
Die Gegenseite sieht das anders. "Ich bin noch immer ziemlich zerrüttet von den Vorkommnissen am Freitag", meinte Huber, der von einem versuchten "Putsch" bei der Sitzung sprach. Nach Handgreiflichkeiten - einem "Bodycheck" zwischen zwei Mandataren - habe er die Sitzung nur noch beenden können, da nicht mehr ausreichend Mandatare für die Beschlussfähigkeit vorhanden gewesen seien. Huber hat die MA 40 als Aufsichtsbehörde eingeschaltet und zeigte sich zuversichtlich, dass diese die Kuriensitzung nicht anerkennen werde.
Ferenci warf Steinhart mit Blick auf die Sitzung vor, antidemokratische Methoden gutzuheißen. Das sei allerdings nicht der einzige Grund, warum Steinhart nicht mehr fit für das Amt des Präsidenten der Wiener Ärztekammer sei. Es gebe fünf Leute im Präsidium. Gegen "uns vier" würden keine Ermittlungen laufen und niemand würde als Beschuldigter geführt, hob Ferenci sich selbst, Huber, Konrad und Tömböl vom fünften Präsidiumsmitglied Steinhart ab. Er hatte Steinhart bereits am Montag in einem persönlichen Gespräch zum Rücktritt aufgefordert, am Dienstagnachmittag schloss sich nun das gesamte Präsidium diesen Forderungen an.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Zu den Turbulenzen geführt haben unter anderem die von Huber ans Licht gebrachten Vorwürfe gegen die Beschaffungsplattform Equip4Ordi (E4O). Bei dieser handelt es sich um eine ausgelagerte Tochtergesellschaft der Kurie niedergelassene Ärzte. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue, Begünstigung und des schweren Betrugs - unter anderem wird auch Steinhart, der damals Obmann der Niedergelassenen-Kurie war, als Beschuldigter geführt. Dieser hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Kurientöchter seien auch Thema der Sitzung am Freitag gewesen, sagte Huber. Hier sei es in den letzten Wochen zu neuen Entwicklungen gekommen, es habe "viele Handlungen" gegeben, die er der Staatsanwaltschaft gemeldet habe. In der letzten Sitzung sei es schließlich um die "Beseitigung aller mit der Aufklärung des Sachverhalts betrauter Personen" gegangen. Mittlerweile gebe es Schadenersatzforderungen von drei Millionen Euro, die zu ungeteilter Hand den Beschuldigten - unter anderem Steinhart - angelastet würden. Die Anträge in der Kuriensitzung von Freitag hätten unter anderem dafür dienen sollen, alle Geschäftsführer zu entlassen oder der beauftragten Anwaltskanzlei das Mandat zu entziehen.
Demokratisch gewählt
Steinhart selbst hatte sämtliche Rücktrittsaufforderungen bereits am Dienstagvormittag zurückgewiesen. Er sei demokratisch zum Präsidenten der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer gewählt worden, betonte er. "Und wer mich kennt, der weiß, dass ich mich als Demokrat natürlich auch in Zukunft demokratischen Abstimmungen stelle", versicherte Steinhart: "Eine demokratische Abwahl wäre aber etwas völlig anderes als die Rücktrittsaufforderung eines politischen Mitbewerbers, der glaubt, eine bestimmte - und im Übrigen dafür völlig ungeeignete - Situation für seine Zwecke ausnützen zu können."
Formal kann der Präsident der Wiener Ärztekammer mittels Misstrauensantrag der Vollversammlung aus seinem Amt entfernt werden. Die nächste reguläre Vollversammlung wäre erst im Dezember angesetzt. Eine außerordentliche Sitzung kann ein Drittel der 90 Sitze zählenden Mitglieder der Vollversammlung einberufen. Um einen Misstrauensantrag in der Vollversammlung durchzubringen ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Für eine außerordentliche Vollversammlung gebe es bereits genügend Unterschriften, meinte Ferenci. Ob eine Zweidrittelmehrheit für einen Misstrauensantrag zustande komme, wisse er nicht. Wichtig sei es jedenfalls, Steinhart vor Augen zu führen, dass viele Mandatare mit ihm unzufrieden seien.
Eine noch am Dienstagabend stattfindende Vorstandssitzung wolle man zivilisiert abhalten, so Ferenci. Bei der nicht geschäftsordnungskonformen Sitzung sei ein neues Vorstandsmitglied gewählt worden. Sei diese Person anwesend, sei die ganze Sitzung in Gefahr, von der MA 40 aufgehoben zu werden. Tömböl meldete Sicherheitsbedenken an. Der für den "Bodycheck" verantwortliche Mandatar sei ebenfalls eingeladen. Auf Facebook habe er ihm gegenüber gedroht, sich auf ihn "draufsetzen" zu wollen, so der Finanzreferent.