100 Tage Schwarz-Grün
Von Christian Willim
Der Start ist katastrophal. In der Nacht auf den 14. Mai donnern 35.000 Kubikmeter Felsmaterial auf die Felbertauernstraße in Osttirol. Die Lebensader des Bezirks wird durchschnitten nur Stunden bevor Günther Platter (ÖVP) und Ingrid Felipe (Grüne) ihr Arbeitsübereinkommen unterschreiben. Keine zwei Wochen nach der Angelobung der ersten schwarz-grünen Regierung Tirols am 23. Mai versinkt Kössen Anfang Juni im Hochwasser.
Krisenmanagement
Es sind verheerende Naturkatastrophen, mit denen sich die neuen Partner gleich zu Beginn ihres Experiments konfrontiert sehen. Sie bieten aber auch die Möglichkeit, sich als Krisenmanager zu profilieren. In Windeseile schnürte man millionenschwere Hilfspakete für die betroffenen Regionen. Die werden auch am Freitag nicht unerwähnt bleiben, wenn Landeshauptmann Platter und seine Stellvertreterin Felipe Bilanz über die ersten 100 Tage ihrer Regierungszusammenarbeit ziehen.
Das Aufeinanderprallen der schwarzen und der grünen Welt ist bislang weitestgehend geräuschlos verlaufen. Dass koalitionsinterner Sprengstoff vorhanden ist, zeigte zuletzt aber zum Beispiel die von Verkehrslandesrätin Felipe in Aussicht gestellte Ausdehnung von Lkw-Fahrverboten, die im Wirtschaftsflügel der VP wenig Anklang fand.
Die Ausgangspositionen der beiden Regierungspartner könnten unterschiedlicher nicht sein. Die ÖVP macht, was sie seit 1945 in Tirol macht: Regieren. Daran hat auch das Rutschen unter die 40-Prozent-Marke bei den Landtagswahlen nichts geändert. Unverändert hält man bei 16 von 36 Landtagssitzen. Nur der Juniorpartner ist neu. Den Grünen mit ihren fünf Mandaten ist es bislang recht passabel gelungen, von Opposition auf Regierung umzusatteln.
Doch die Ökopartei steht im Fokus der Beobachtung. Und das unter der Regierungsbank Minen lauern können, mussten die Grünen in den vergangenen 100 Tagen mehrfach feststellen. Kurz bevor Felipe die Verkehrsagenden übernahm, hat ihr Vorgänger von der VP etwa noch das Aus für den Direktzug zwischen Lienz und Innsbruck besiegelt. Ab Dezember heißt es auf der Strecke Bus statt Bahn. Das Erbe ist nicht gerade ein grünes Wunschmodell.
Schwache Opposition
Die Oppositionsparteien vermögen Schwarz-Grün bislang kaum zuzusetzen. Zu sehr sind sie mit sich selbst beschäftigt. Bei SPÖ und FPÖ stehen nach dem enttäuschenden Landtagswahlergebnis die Spitzenkandidaten und somit die Klubobmänner auf dem Absprung in den Nationalrat. Vorwärts Tirol übt sich in Selbstzerfleischung. Und die Liste Fritz stellt nur noch zwei Abgeordnete.