Chronik/Österreich

Neun Dschihadisten in Österreich festgenommen

Die Sondereinheit Cobra schlug am Dienstag sowohl am Grenzübergang Nickelsdorf im Burgenland als auch in Arnoldstein in Kärnten zu. Ihr Auftrag lautete, die Insassen zweier Fahrzeuge an der Ausreise aus Österreich zu hindern und festzunehmen. Der Vorwurf gegen neun Tschetschenen – sie verfügen über einen aufrechten Asylstatus – lautet, sie hätten sich auf dem Weg nach Syrien befunden, um die dortigen IS-Terrormilizen zu unterstützen. Ein Österreicher mit türkischen Wurzeln wurde ebenfalls verhaftet. Er soll als Reiseveranstalter für die Tschetschenen – darunter eine Frau – fungiert haben.

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Wie berichtet, ermittelt der Staatsschutz seit Monaten gegen die Sympathisantenszene der syrisch-irakischen Mordbrigaden "Islamischer Staat". Denn im Internet kursieren nicht nur Mordaufrufe. Geworben wird auf Facebook um Krieger für Syrien und den Irak.

Bei der radikalisierten IS-Fangemeinde soll es sich durchwegs um junge Migranten handeln. Nun soll sich gerade aus dieser Szene ein Trupp in Richtung Syrien in Bewegung gesetzt haben. Ob und wie viel die Tschetschenen an den Türken gezahlt haben, ist noch unbekannt. Fix sei jedoch die Route der Syrien-Krieger gewesen. Sie wollten mit dem Auto über Italien, Griechenland und die Türkei nach Syrien fahren.

Asyl-Aberkennung

Die Justiz bestätigte am Mittwoch, dass die Verhaftung der Staatsschutz selbst verfügt habe. Bislang war der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung der U-Haft über neun der zehn Festgenommenen von der zuständigen Richterin noch nicht bestätigt worden. Einer der neun Festgenommenen, ein 17-jähriger Tschetschene, wurde auf freien Fuß gesetzt.

Den anderen acht mutmaßlichen Syrien-Kriegern droht im Falle der U-Haft großes Ungemach. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kündigte in diesem Fall an, sofort ein Asylaberkennungsverfahren einzuleiten. Die Innenministerin sieht nun klar die Gerichte am Zug. "Gegen Dschihadisten kann es nur eine Null-Toleranz-Politik geben." Sie verwies darauf, dass sie vor Wochen mit dem Justiz- und dem Außenminister ein Maßnahmenpaket gegen Dschihadisten vorgelegt habe.

Einer der Punkte lautet, "Foreign Fighters" mit Asylstatus in Österreich diesen Status abzuerkennen. Mikl-Leitner warnte allerdings davor, "jetzt jene Asylwerber, für die wir Quartiere in Österreich suchen, mit diesen Personen in einen Topf zu werfen".

Mordaufrufe gegen die in Wien lebende Jesiden-Gemeinde rufen den Verfassungsschutz auf den Plan. Ermittelt wird gegen eine neu entstandene Szene radikaler Islamisten, deren Mitglieder den syrisch-irakischen Mordbrigaden "Islamischer Staat" (IS) nacheifern.

Völkermord

Der Angriff der IS-Milizen auf die Jesiden im Kurdengebiet hat die Dimension eines Völkermordes. Aber auch die im scheinbar sicheren Wien lebende Jesiden bekommen zunehmend Angst. Etwa dann, wenn in der U-Bahn plötzlich ein junger Mann mit dem Symbol der irakischen Mordmilizen auf dem T-Shirt steht.

Parallel zum Siegeszug der IS-Milizen durch Syrien und den Irak hat sich in Wien unter jungen Migranten eine radikalisierte IS-Fangemeinde entwickelt. Es handelt sich zumeist um Halbwüchsige, viele von ihnen ohne Berufsausbildung. Die meisten leben in den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt. Fast jeder von ihnen ist bei einem Boxverein oder betreibt einen anderen Kampfsport, ganz wichtig erscheint auch Bodybuilding. Die meisten sind arbeitslos und nutzen die Zeit, um sich im Internet – besonders auf Facebook – zu radikalisieren. Der Verfassungsschutz schätzt ihre Zahl auf mehrere Hundert.

Fanartikel

Eine Drehscheibe bildet ein Islamist, der in seiner Wohnung in Wien-Floridsdorf eine sogenannte Moschee betreibt und dort auch einen Fanartikel-Shop eingerichtet hat. Neben Dschihad-Flaggen gibt es auch Camouflage-Kapperln mit dem IS-Symbol zu kaufen. Das Geschäft läuft gut. Die meisten Kunden stammen aus der Türkei, es sind aber auch auffallend viele Tschetschenen drunter.

Durch ihre Selbstdarstellungen auf Facebook entsteht der Eindruck, dass hier eine neue Generation von Staatsfeinden heranwächst. Sie geben sich Kampfnamen. Als "Soldier of Allah" präsentiert sich ein Absolvent einer Sportschule in Favoriten. Als "Diener Allahs" geistert ein junger Türke durchs Netz. Und sie erklären unverblümt den Krieg: "Entweder ihr tötet uns oder wir machen weiter, bis der Kopf fliegt."

Als besonders vorbildhaft wird auch die Rolle islamistischer Söldner aus Europa empfunden, die freiwillig am Morden im Irak teilnehmen. Und wenn es schiefgeht, wird getrauert. So postet ein Extremist in schlechtem Deutsch: "Gestern erzählte mir ein bruder das usama eine kugel in den hals bekommen hat, die beim unterkiefer wieder raus kam u sein halbes unteres gesicht war weg! möge Allah ihm annehmen amin!!!!!"

Feindbild Jesiden

Jetzt sind auch die in Wien lebenden Jesiden ins Visier der Extremisten geraten. Es ist eine kleine Gemeinde mit vielleicht 700 Mitgliedern. Sie glauben an die Seelenwanderung und werden von fundamentalistischen Muslimen als "Teufelsanbeter" verdammt.

Sie leben völlig unauffällig und haben nicht einmal Vereinshäuser. Doch jetzt sehen sie sich plötzlich mit massiven Drohungen konfrontiert. So postete ein Floridsdorfer ein Bild mit einer Pistole im Anschlag mit dem zynischen Text "Assalamu aleikum yeziden" ("Friede den Jesiden"). Ein User spornt ihn im Kommentar an: "Drück ab akhi".

Ein nicht mehr ganz so junger Wiener mit arabischem Decknamen will gleich alle Jesiden umbringen (siehe Faksimile).

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Thomas Schmidinger, Politikwissenschaftler und Islam-Experte, beschreibt gegenüber dem KURIER die Stimmung: "Bedroht fühlen sich alle. Vor allem wegen der Untätigkeit der Behörden, wenn die Extremisten mit Dschihad-Symbolen in der Öffentlichkeit herumlaufen."

Im Innenministerium wird bedauert, dass es die Rechtslage nicht zulässt, gegen die öffentliche Präsentation von Dschihad-Fahnen vorzugehen. Anders verhält es sich aber mit den Gewaltaufrufen. Das sei Verhetzung. Die Urheber der Drohungen müssen mit Besuch von der Polizei rechnen.

Insgesamt kann aber nach Meinung der Verfassungsschützer das Problem der Radikalisierung nicht durch die Polizei gelöst werden. Hier sei die Politik gefragt. Aus dem Büro der Wiener Integrations-Stadträtin Sandra Frauenberger heißt es dazu, dass es ab Herbst ein Netzwerk gegen Extremismus geben soll. "Alle Stellen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollen sich vernetzen – vom Stadtschulrat, dem Kinder- und Jugendanwalt, die Jugendwohlfahrt bis zu Jugendzentren."

Die Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gelten als die gegenwärtig gnadenlosesten Massenmörder. Sie rotten in Syrien und im Irak ganze Landstriche aus. Still und heimlich hat sich in Wien eine Sympathisantenszene gebildet, die sogar einen Fanartikel-Shop betreibt. Eine Szene, die dem Verfassungsschutz Sorgen bereitet.

Der große Renner sind derzeit Camouflage-Kapperln mit Dschihad-Aufdrucken und dem IS-Symbol, die per Facebook angeboten werden. Man bekommt sie bei einem Aktivisten namens Muslim A. in einer angeblichen Moschee in Wien-Donaustadt. Dort gibt es keine Moschee, wie ein KURIER-Lokalaugenschein ergab. Vermutlich handelt es sich nur um eine Wohnung. Die Ware löst fast hysterisch-begeisterte Reaktionen bei den Sympathisanten aus: "Salam alleikum, ich auch die schwarze mit la ilaha ilallah." (Siehe Screenshot oben)

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228 Facebook-Freunde hat der Extremisten-Fanclub. Der Hauptdarsteller Muslim A. posiert mit Dschihadfahne und Kampfanzug vor der Moschee in Floridsdorf und anderen Orten in Wien. Seine Fans sind Halbwüchsige mit Migrationshintergrund aus den Bezirken Floridsdorf und Donaustadt. Beispielsweise der HTL-Schüler aus Afghanistan mit Vorliebe für Boxen und Ringen. Oder ein 15-jähriger "Diener bei Allah" aus Tschetschenien. Aus Mazedonien stammt ein Terroraspirant, der sein Gesicht in die Dschihad-Fahne gespiegelt hat. Dabei ist auch ein tschetschenischer Installateur aus der Großfeldsiedlung. Ein Dschihad-Fan behauptet, auf einem Lagerplatz der Mineralölverwaltung zu wohnen.

Symptome

Vor wenigen Tagen begannen die IS-Chefs mit einer Internet-Rekrutierungsoffensive für Europa. In der Wiener Szene ist der Boden dafür bereits aufbereitet, fürchtet man beim Verfassungsschutz. Denn die Jugendlichen zeigen bereits fortgeschrittene Symptome. Dazu gehört es, mit dem bisherigen sozialen Umfeld zu brechen. Ein türkischstämmiger Migrant ist gerade dabei, das zu tun. Er postet: " Habe alle falschen Freunde gelöscht in meinem Leben und bin auch froh damit. Ich möchte insallah die wahren Freunde in mein Kreis finden."

Der Verfassungsschutz kann dagegen nichts unternehmen. Es ist nicht verboten, mit einer Dschihad-Fahne durch Wien zu laufen oder Terror-Kapperln zu verkaufen. Und solange den Jugendlichen nicht konkrete Straftaten vorgeworfen werden können, sind der Polizei die Hände gebunden.

Mitarbeit: Paul Krisai