Von Krippen und Wolfssegen: Weihnachtsvorbereitungen im Stephansdom
Von Anya Antonius
Nicht nur in den eigenen vier Wänden, auch im Stephansdom hat die Weihnachtszeit Einzug gehalten. Ein Mitarbeiter der Dombauhütte sperrt im Schein der Altarkerzen die Prinz-Eugen-Kapelle gleich links neben dem Hauptportal auf.
Hier liegt nicht nur der berühmte Feldherr begraben, hier steht auch das ganze Jahr über der Krippenaltar und wartet auf seinen großen Auftritt. An diesem Tag sind seine Flügel bereits abmontiert und bereit für den Transport zu seinem angestammten Weihnachtsplatz am ersten linken Pfeiler im Kirchenschiff. Hier wird er am 24. Dezember seine Flügel für die Krippenszene öffnen. „Der Altar wurde für die Wiedereröffnung des Doms 1948 beim Bildhauer Josef Troyer in Auftrag gegeben – übrigens einem Tiroler“, wirft Domarchivar Reinhard Gruber, selbst Tiroler, bei einem gemeinsamen Rundgang durch den weihnachtlichen Dom ein.
Wandernde Könige
Echte Tiroler sind auch die antiken Krippenfiguren, die am 23. Dezember aufgestellt werden – und zwar getrennt voneinander. Bei dem einen Pfeiler vor der Vierung findet die Heilige Familie ihre Herberge, bei dem anderen die Heiligen Drei Könige. „Bis zum 6. Jänner, dem Dreikönigstag – dann wandern die Könige zur Familie hinüber“, erklärt Gruber. Der Umzugsservice der Könige? Wohl ein Fall für die Mitarbeiter der Domsakristei.
Überhaupt haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Doms in den letzten Tagen vor dem Weihnachtsfest alle Hände voll zu tun. Die Luster müssen geputzt, die Messgewänder hergerichtet, der Blumenschmuck besorgt und vorbereitet, die Krippen aufgestellt und geschmückt werden. Und dann sind da noch die rund dreißig Christbäume, die schon im September bestellt und am Donnerstag als kleines Winterwäldchen vor der Dombauhütte aufgestellt werden.
Sau-Toni und Esel
Die Protagonisten der zahlreichen Darstellungen der Weihnachtsgeschichte auf den Altären und Wänden des Steffls haben – wie schon in den vergangenen Jahrhunderten – ein gelassenes Auge auf das Geschehen. Besonders weihnachtlich geht es im Nordchor auf der linken Seite des Doms zu: „Hier stand schon immer ein Marienaltar, bis heute“, erklärt Gruber. Seit dem späten 19. Jahrhundert ist das ein Schnitzaltar aus dem Jahr 1447, der nach seinem ursprünglichen Aufstellungsort Wiener Neustädter Altar heißt.
Bis Weihnachten bleiben auch hier die Altarflügel geschlossen, schließlich sei der Advent eine Zeit der Besinnung, sagt Gruber. Ab dem 24. Dezember zeigt der Altar dann seine Feiertagsseite: Die Lebensstationen der Maria. Besondere Blickfänger: Ein selig lächelnder Esel, der bei Christi Geburt seine Stirnfransen im gewagten Topfhaarschnitt trägt. Gegenüber lohnt ein Blick auf das Christkind, das Besuch von Caspar, Melchior und Balthasar bekommt – und auf seine himmlischen Segelohren.
Doch auch auf den zugeklappten Flügeln des Marienaltars lässt sich viel entdecken. Unter den mittelalterlichen, in Tafelmalerei verewigten Heiligenfiguren findet sich etwa auch der weißbärtige heilige Antonius, ihm zu Füßen ein kleines Wildschwein. „Oder wie die Wiener ihn nennen, den Sau-Toni“, sagt Gruber und lacht.
Wölfe abwehren
Rund um die Weihnachtszeit haben sich im Steffl über Jahrhunderte lokale Bräuche erhalten, erzählt der Domarchivar, darunter der sogenannte Wolfssegen. „Nachts nach der Christmette hat man mit die Glocken geläutet und dann ist der Domdechant nach draußen gegangen, hat von der Altane des Riesentores aus den Anfang des Markusevangeliums gesungen und in alle vier Himmelsrichtungen seinen Segen gegeben. Das war ein abwehrender Segen, um die Wolfsgefahr in der Stadt zu bannen.“ Dann schossen die Wiener mit Gewehren in die Luft – so lange, bis Josef II. das laute Treiben zu bunt wurde und er es verbieten ließ.
Auch Legenden spinnen sich hier um die stillste Zeit im Jahr. So soll am 6. Jänner, zur Mittagszeit, die Sonne auf den Dreikönigspfeiler scheinen – und zwar genau auf die Kronen der weit oben befestigten Figuren der Heiligen Drei Könige. Ganz so kann Gruber das nicht bestätigen, aber auch er war schon Zeuge, dass die Wintersonne an diesem Tag, wenn schon nicht genau auf die Kronen, so doch auf den Dreikönigspfeiler schien: „Die Säulen stehen alle nicht zufällig so da. Man muss aber Glück haben, dass die Sonne auch scheint“.