Chronik/Österreich

Somalier zwischen Flucht und Heimweh

In weißem Hemd und schwarzem Sakko sitzen Jamal und Abdullahi (beide 19) am Tisch. Sie sehen damit noch förmlicher aus, als im Bewerbungsgespräch, das die beiden Somalier für ein Video der Asylkoordination nachgestellt haben. In dem erklären die jungen Somalis ihren Landsleuten, welche Arbeitsmöglichkeiten Asylwerber in Österreich haben. Die Asylkoordination produziert solche Videos immer dann, wenn Bedarf in der Community besteht.

Laut den aktuellen Zahlen des UNHCR (Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Anm.) waren 2017 weltweit 68,6 Millionen Menschen auf der Flucht. Zwei Drittel dieser Flüchtlinge kommen aus nur fünf Ländern: Syrien, Afghanistan, dem Südsudan, Myanmar und Somalia.

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Auch in Österreich ist die Zahl der asylwerbenden Somalier in den vergangenen Jahren stark angestiegen (siehe Grafik). Während es 2012 noch 481 Asylwerber aus Somalia gab, waren es 2015 – zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise – 2073. Seitdem geht die Zahl der Asylwerber aufgrund des restriktiveren Zugangs wieder zurück. Laut Asylstatistik des Innenministeriums ( BMI) war Somalia seit 2014 jährlich unter den zehn Ländern, aus denen die meisten Asylanträge kamen. Auch heuer. Den Westbahnhof, wo sich nicht nur viele junge Afghanen, sondern auch viele junge Somalier ihre Zeit vertreiben, meiden Jamal und Abdullahi: „Der Westbahnhof ist Territorium von Flüchtlingen“, sagt Jamal. „Der Ort ist nicht gut für uns. Da gibt es Kriminelle, dort passiert jeden Tag derselbe Dreck.“ Drogen und Alkohol würden die beiden ablehnen.

Doch während junge afghanische Asylwerber immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sind somalische Flüchtlinge kaum Inhalt von öffentlichen Debatten. Warum ist das so? „Ich denke, das hängt damit zusammen, dass der Konflikt in Somalia in den österreichischen Medien nicht so präsent ist“, sagt Petra Limberger, Juristin in der Kanzlei von Anwältin Nadja Lorenz und Mitarbeiterin in der Deserteurs- und Flüchtlingsberatung.

Jamal und Abdullahi kamen vor zwei Jahren nach Österreich. Das Leben hier sei nicht leicht, erzählt Jamal, der derzeit zum Krankenpfleger ausgebildet wird. Abdullahi hat den Pflichtschulabschluss gemacht und lernt Deutsch. „Meine Leute leiden zu Hause. Das ist der Grund, warum ich mich anstrenge“, sagt Jamal.

Laut Petra Limberger sind Sicherheits- und humanitäre Lage in Somalia „eine Katastrophe“: Immer wieder komme es zu Hungersnöten im Land, die medizinische Versorgung sei unzureichend, der Staat funktioniere nicht. „Das Vakuum, das dadurch entsteht, wird von starken Clans gefüllt“, sagt Limberger.

Wer dem falschen Clan angehört, habe ein Problem. Der Status in der Gesellschaft werde von der Clans-Zugehörigkeit bestimmt. „Viele Personen werden aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Minderheiten-Clan verfolgt.“ Dazu kommt der Terror der radikal-islamistischen Miliz Al Jabab.

Die Lage von Frauen ist noch prekärer: Ihnen droht zusätzlich Genitalverstümmelung, Zwangsehe, Vergewaltigung. Die genannten Fluchtgründe sind –wie Konversion oder Homosexualität – nur Beispiele.

Kein Zuhause

2017 erhielten 49 Prozent der Somalier Asyl oder subsidiären Schutz in Österreich. Auch Jamal und Abdullahi. „Wir haben eine Chance bekommen“, erklären sie. Obwohl sie Heimweh haben, versuchen sie „stark“ zu bleiben, erzählen sie. „Ohne Mama ist ein Zuhause kein Zuhause“, sagt Jamal. „Wenn mein Land sicher wäre, würde ich zurückgehen.“