Chronik/Österreich

Endstation an Bayerns Grenze

Ein Wiener Taxler steht mit seinem Wagen am Westbahnhof, vier Personen steigen ein. Sie wollen nach München, aber schon kurz nach der bayerischen Grenze ist Endstation. Wie sich herausstellt, sind die Fahrgäste illegal eingereiste Afghanen.

Der Taxilenker muss wegen Verdachts auf Schlepperei in U-Haft und wird sechs Monate später zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In der Berufung erwirkt sein Verteidiger Udo Krause doch noch einen Freispruch. "Ein Sieg war das aber bei Weitem nicht. Bis dahin ist sein Taxiunternehmen pleitegegangen und seine Ehefrau hat ihn verlassen", schildert Krause.

Sein Mandant möchte anonym bleiben, ist mit seinem Schicksal aber nicht alleine. Fälle, in denen Taxilenker offenbar aus Ahnungslosigkeit ins Visier der deutschen Fremdenpolizei geraten sind, haben sich in den vergangenen Wochen derart gehäuft, dass die Salzburger Funktaxivereinigung "8111" zum Boykott aufgerufen hat (der KURIER berichtete).

Generalverdacht

"Die Gesetzeslage ist unbefriedigend", sagt Krause, der im österreichisch-bayerischen Grenzraum tätig ist. Laut deutschem Recht können Taxilenker bei "begründetem Verdacht" nach den Ausweispapieren fragen, in Österreich ist das allerdings verboten, erklärt Krause. Zum Stichwort Verdacht sagt er: "Die Hautfarbe eines Menschen kann niemals einen Verdacht begründen. Das wäre rassistisch. Und sonst sind die Möglichkeiten, einen illegalen Einwanderer zu erkennen, sehr beschränkt."

Unter den Taxilenkern, die er bisher vertreten hat, seien natürlich auch schuldige gewesen, räumt Krause ein. "Es gibt immer wieder schwarze Schafe, die sich durch gelegentliche Schleusungen etwas dazuverdienen wollen. Trotzdem darf man die Branche nicht unter Generalverdacht stellen." Als Rechtsbeistand von "8111" will Krause für eine klare Rechtslage kämpfen. "Ich fechte das wenn nötig bis zum Europäischen Gerichtshof durch."

"Ziehen das durch"

Peter Tutschku, Geschäftsführer der Taxivereinigung mit 250 Einzelunternehmen, hat seit der Verlautbarung des Boykotts keine ruhige Minute mehr. "Wir lassen es uns nicht mehr bieten, dass unsere Mitarbeiter wie Verbrecher behandelt werden", sagt er und bekommt dafür viel Zuspruch. "Bei mir melden sich laufend Leute, die für uns Verständnis haben. Das motiviert uns, das durchzuziehen."

Wie rigoros die Taxler Fahrten nach Deutschland tatsächlich ablehnen, zeigt eine Szene beim Salzburger Europark am vergangenen Wochenende: Eine Deutsche schleppt ihre vollen Einkaufstaschen am Taxistand von einem Wagen zum nächsten. Drei Lenker weigern sich, sie nach Hause zu bringen.

Der vierte ist Peter Flanderer. "Ich habe in der Zentrale angerufen, dort hat sich jemand gefunden, der eine Ausnahme macht. Die Frau hat aber 20 Minuten auf das Taxi warten müssen", schildert der 60-Jährige, der Bayern auch aus einem anderen Grund meidet. Durch die mit Jahresbeginn in Kraft getretene Mindestlohnregelung in Deutschland muss ab der Grenze nach einem höheren Tarif abgerechnet werden. "Als Angestellter müsste ich also über jede Minute, die ich drüben verbringe, Buch führen. Das ist mir zu blöd."

Um das Geschäft, das ihm dadurch entgeht, sei ihm nicht leid, sagt er. "Auf die paar Euro verzichte ich gerne, weil ich mir dadurch viel Ärger erspare."

Grenzregion leidet

Die Folgen des Boykotts sind in der Grenzregion schon jetzt spürbar, sagt Johann Sommerer, Wirt im Zollhäusl in Freilassing. Nicht nur, dass Gäste aus Salzburg von den Taxlern nicht mehr in den Rupertiwinkel gefahren werden – retour gilt dasselbe. "Wenn bei uns ein Gast Alkohol konsumiert und so vernünftig ist, sein Auto stehen zu lassen, bekommt er kein Taxi. Manche Wirte fahren ihre Kundschaft jetzt schon selbst heim", schildert er.

Die Gäste seien bereits weniger geworden, und wie sie hat Gastronom Sommerer wenig Verständnis für die Salzburger. "Einfach auf stur schalten kann keine Lösung sein. Die deutschen Behörden müssen mit den Österreichern zu einer Einigung kommen, sonst wird das für die ganze Grenzregion ein riesiges Problem."