"S-Klasse statt Holzklasse": ÖBB erhalten neuen Cityjet
Während die mehrheitlich private Westbahn zurzeit mit Preiserhöhungen für Pendler Schlagzeilen sorgt, setzt man bei den ÖBB auf die Verbesserung des Angebots. Am Dienstag präsentierten Verkehrsministerin Doris Bures (SP) und ÖBB-Vorstandschef Christian Kern die nächste Generation der ÖBB-Flotte im Nah- und Regionalverkehr: den cityjet.
Bereits im Jänner wurden 100 „Desiro ML“-Züge bei Siemens bestellt, ab 2015 sollen sie in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark eingesetzt werden.
550 Millionen Euro lassen sich Bund und Länder die Qualitätsoffensive kosten, 90 Prozent kommen vom Verkehrsministerium. Da die Endmontage der Züge in Österreich erfolgt, handle es sich auch um eine Investition in die heimische Beschäftigung, sagt Bures. Durch den Auftrag werden 800 Arbeitsplätze geschaffen.
S-Klasse
Gegen den internationalen Trend „zu eher spartanischer Ausstattung“ werde man im Nah- und Regionalverkehr „S-Klasse statt Holz-Klasse auf die Schienen bringen“, verspricht Kern. Punkto Komfort sei der cityjet mit dem railjet (der auf Langstrecken zum Einsatz kommt) „auf Augenhöhe“.
Die neuen rot-weiß-roten Garnituren, die eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h erreichen und dank „verbesserten Beschleunigungsverhaltens“ noch pünktlicher sein sollen, werden farblich in vier Zonen gegliedert sein: In Komfort-, Arbeits-, Service- und Ruhe-Zonen. In Letzteren werden Handys verboten.
Zudem spielen die verstellbaren Sitze mit ergonomischen Kopfstützen und Armlehnen, Leselampe, Steckdose, ausklappbarem Tischchen und individuellem Stauraum alle Stückerln.
Ende 2013 gehen die Züge in Produktion, 2015 sollen sie in Betrieb genommen werden. 30 davon ersetzen in und um Wien sukzessive die blau-weißen S-Bahn-Garnituren, 70 sind für den Regionalverkehr in NÖ, OÖ und der Steiermark vorgesehen.
Noch heuer werde man außerdem in die bestehende Flotte investieren, stellt Kern in Aussicht. Mit drei Schwerpunkten: Sauberkeit, Fahrgast-Information und Sitze.
Kapazitätserweiterung
Die ÖBB reagieren mit der Qualitätsoffensive auf den zunehmenden Trend zum Bahnfahren. Im ersten Halbjahr 2013 wurden rund vier Prozent mehr Fahrgäste gezählt als im Vergleichszeitraum 2012. Besonders starke Zuwächse verzeichnete man bei der ÖSTERREICHcard (mit der um 1640 Euro ein Jahr lang jede beliebige Strecke in Österreich gefahren werden kann).
Von einem verstärkten Zulauf geht der ÖBB-Chef nicht zuletzt infolge der jüngsten Entwicklungen beim privaten Mitbewerber „Westbahn“ aus. Wie der KURIER berichtete, erhöht das Unternehmen die Fahrpreise für Pendler in der Ostregion, um der Vollauslastung der Züge durch Kurzstreckenfahrer entgegenzuwirken (siehe Bericht unten).
Um frustrierte Westbahn-Fahrgäste zu gewinnen, „denken wir über neue Halts nach – da geht es in erster Linie ums Tullnerfeld“, sagt Kern. Darüber hinaus sei eine Erhöhung der Kapazitäten in Vorbereitung. Nicht durch zusätzliche Züge, aber durch zusätzliche Waggons. Preiserhöhungen seien nicht geplant.
Bilder vom neuen "Cityjet"
„Von dem Wahnsinn hab ich eh schon gehört“, sagt ein Fahrgast der Westbahn auf dem Weg von St. Pölten nach Wien, als ihn der Schaffner auf die Preissteigerung der Zugtickets aufmerksam macht.
Ab 9. September müssen Pendler in Zügen der Westbahn rund um Wien wochentags vor 9 Uhr und zur Stoßzeit am späten Nachmittag einen Aufpreis von zwei Euro pro Fahrt mit der Westbahn zahlen. Für eine Karte (Tages-, Monats-, Wochen- und Jahreskarte) des Verkehrsverbund Ostregion sind drei Euro mehr zu zahlen; der Preis für Einzelfahrten bleibt gleich. Beim Lokalaugenschein in den Westbahn-Zügen Dienstagfrüh machten einige Pendler ihrem Unmut Luft.
Der 19-jährige Fabio Faber pendelt täglich von Wien nach St. Pölten: „Jetzt muss ich für diese Strecke pro Tag vier Euro mehr zahlen“, sagt Faber. „Mit diesem Aufpreis zahle ich also schon fast eine Einzelfahrt, die sechs Euro kostet“, ärgert sich Faber. „Ich werde sicher nicht mehr mit der Westbahn fahren“. Überhaupt könne er den Grund für die Preissteigerung nicht nachvollziehen: Zuerst erklärt man uns, wir sollen auf den Zug umsteigen. Dann steigen wir um, und jetzt schiebt man uns Pendlern die Schuld an der Preiserhöhung in die Schuhe“ (Bericht oben). Ähnlich sieht das auch Bernhard Sirovy aus Wien. Er pendelt täglich zur Arbeit nach St. Pölten: „Ich werde jetzt wohl wieder auf den railjet umsteigen“, sagt Sirovy. Der Umstieg aufs Auto kommt für ihn aber nicht infrage.
Im Gegensatz zu Peter T.: Er will künftig gar auf den Zug verzichten. „Wenn alles so teuer wird, kann ich gleich mit dem Auto fahren. Das kostet dasselbe und dann bin ich wirklich flexibel.“