ÖBB reagiert nach Unfällen: Beurlaubungen und Sicherheitsoffensive
Nach mehreren Unfällen haben die Österreichischen Bundesbahnen am Mittwoch ein Paket an Sofortmaßnahmen präsentiert. Die Konsequenzen sind durchaus hart: So werden neben den an den Vorfällen direkt beteiligten Mitarbeitern auch die verantwortlichen Führungskräfte von ihren Funktionen beurlaubt, "um eine intensive Safety-Nachschulung zu absolvieren", wie die ÖBB in einer Aussendung verlauteten.
Viele der Unfälle und Sicherheitsvorfälle der vergangenen zwei Jahre seien auf regionale Performance-Probleme oder auf den sogenannten Hausbrauch zurückzuführen, analysierten die ÖBB. "Schlamperei und fehlendes Qualitätsbewusstsein können nicht weiter toleriert werden und müssen von den jeweiligen Führungskräften behoben werden", hieß es. Dem Leiter des Stabes Personal in der ÖBB-Produktion wurde eine neue Aufgabe im Konzern übertragen.
ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä kündigte den Start eines konzernweiten Programms unter dem Namen "Sicherheit auf Schiene" an. Dazu holt man sich zwei externe, weisungsfreie Fachleute an Bord. "Ein Experte wird von der Schweizer Bahn kommen, ein anderer aus dem Industriebereich mit dem Fokus auf Organisation und menschlichen Verhalten", berichtete Matthä, der sich erste Ergebnisse noch vor dem Sommer erwartet.
Noch heuer werden alle Betriebsmanager der ÖBB-Infrastruktur wieder mit voller fachlicher und disziplinärer Führungskompetenz ausgestattet, kündigten die ÖBB weiters an. Sie seien dadurch "die ersten und wichtigsten Verantwortungsträger für die sichere Betriebs- und Verschubabwicklung" an Ort und Stelle.
Gestartet wird der Pilotversuch "Voice Recording". In der Luftfahrt zählt die Aufzeichnung aller Sprachaktivitäten seit langem zur Sicherheitsroutine. "Ab Sommer wollen wir auf der S-Bahn-Stammstrecke rund 70 Züge mit Geräten zur Sprachaufzeichnung ausrüsten", kündigte Matthä an. Nach einer Evaluierung der Erkenntnisse im Dezember soll über Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten für flächendeckende Sprachaufzeichnungen entschieden werden.
Ebenso führe man einen laufenden Pilotversuch für die Auswertung des Funkverkehrs im Verschubbereich zur Fehlerprävention fort. "Für all diese möglichen Erneuerungen haben wir bereits ein Sonderbudget von 30 Millionen Euro bereitgestellt", so Matthä.
Ein dritter Pilotversuch soll helfen, die Triebfahrzeugführer bei ihren komplexen Arbeitsabläufen zu unterstützen. Dabei werden laut ÖBB Prozessabläufe und Handlungen während der Zugfahrt mit Codes versehen und von den Triebfahrzeugführern eingeübt. Dieses Modell stammt aus der Ausbildung von Flugpiloten und ermöglicht, dass komplexe Prozesse relativ vereinfacht im Unterbewusstsein gespeichert und dadurch automatisiert werden.
Auf Basis des aktuellen Fahrplans wird ab 1. Mai nochmals vertieft geprüft, wo zusätzliche 500 hz Magneten (zur punktuellen Zugbeeinflussung, Anm.) eine relevante Verringerung des Risikos bringen könnten. Auf Basis dieser Analyse will man über den Einbau zusätzlicher Magneten entscheiden.
Bei einem Verschubunfall am Salzburger Hauptbahnhof waren am Freitag 54 Personen in einem Nightjet verletzt worden. Am selben Tag war in Oberösterreich ein Güterzug über 30 Kilometer herrenlos unterwegs, nachdem er im Bahnhof Friedburg-Lengau (Bezirk Braunau) entrollt ist.