Chronik/Österreich

Millionenbetrug mit Scheinfirma

Vor Kurzem gelang dem Landeskriminalamt Wien wieder ein Schlag gegen illegale Scheinfirmen. Drei Männer im Alter zwischen 46 und 48 Jahren sollen mehr als 25 Bau-Unternehmen gegründet und dann gleich wieder in den Konkurs geschickt haben. Damit sollen sie einen Schaden von rund 1,5 Millionen Euro angerichtet haben. Bei sechs Hausdurchsuchungen wurden 80 Aktenordner sichergestellt. Das Trio sitzt in Untersuchungshaft.

Der Trick der Festgenommenen ging so: Jedes Mal, wenn die Gewerkschaft oder die Behörde zu ihnen wegen eines Arbeiters vorstellig wurde, soll dieser umgehend zu einem anderen Unternehmen transferiert worden sein. Oder die Firma wurde kurzerhand in den Konkurs geschickt.

Die Finanz sieht zunehmend einen Trend für Arbeiter, bei solchen Unternehmen angemeldet zu sein, ohne zu arbeiten. So kommen sie zu einer Versicherung – und die Betroffenen können dann anderswo pfuschen. Bis zu 300 Euro werden in einschlägigen Kaffeehäusern bezahlt, um auf diesem Weg eine (illegale) Anmeldung zu erlangen.

Wien als Drehscheibe

Wilfried Lehner, Chef der heimischen Finanzpolizei, spricht von einem "attraktiven System" (siehe auch Interview). Wer darin verankert sei, möchte oft gar nicht mehr offiziell arbeiten. Das betreffe In- wie Ausländer gleichermaßen. Diese Scheinfirmen gibt es übrigens fast ausschließlich in Wien. "Hier kann man offenbar leichter in der Anonymität untertauchen", meint Lehner.

Die Unternehmen haben den Vorteil, dass sie billiger anbieten können. Wer keine Abgaben zahlt, kann natürlich die Konkurrenz beim Preis locker schlagen.

Die Finanzpolizei schätzt, dass der Schaden pro Jahr für den Staat 300 Millionen Euro ausmacht. Sozialminister Rudolf Hundsdorfer sprach sogar schon von bis zu einer Milliarde Euro. Seit Jahren gibt es immer wieder Versuche, diesen Missbrauch abzustellen – doch das ist nicht so leicht.

Kuriose Rechte

Experten fordern immer wieder, dass auch die Arbeitnehmer verfolgt werden. Diese haben mitunter eher kuriose Rechte: Wird die Scheinfirma nach drei Monaten zugedreht, dann können sie über den Jahresausgleich sogar Geld vom Staat zurückverlangen – für Steuern, die zuvor nie bezahlt wurden. Und den Lohn für die (teilweise nicht geleistete) Arbeit können sie aus der Konkursmasse einfordern.

Wilfried Lehner ist der Leiter der österreichischen Finanzpolizei. Er erklärt die Hintergründe der Scheinfirmen.

KURIER: Warum gibt es immer noch solche Scheinfirmen?

Lehner: Das hat System und die meisten sperren nach drei, spätestens sechs Monaten wieder zu. Bei der Finanz scheint das bis dahin aber noch nicht auf. Mit der letzten Änderung des Abgabengesetzes wurde der Datenaustausch zwischen Krankenkassa und Finanz verbessert. Die Arbeiter bekommen in diesen Scheinfirmen aber Sozialleistungen, sind versichert, und danach gibt es eine Arbeitslose. Es wird auch für die Pension angerechnet. Dazu können sie mitunter Gehalt aus der Insolvenz fordern, obwohl sie gar nichts gearbeitet haben.

Das klingt ja wirklich gut...

Ja, das ist ein attraktives System. Die Leute wollen da auch gar nicht heraus, die sind da verankert. In manchen Wiener Kaffeehäusern werden 300 Euro für so eine Scheinanmeldung bezahlt. Manche Dienstnehmer haben 15 oder 20 Scheinfirmen durch, wenn wir sie erwischen. Dass die nichts davon wissen, ist sehr unwahrscheinlich. Natürlich ist das ein Betrug, aber dafür müssen wir ihnen nachweisen, dass sie das ganze bewusst gemacht haben.

Wie hoch ist der Schaden?

Für die Finanz und die Krankenkasse geschätzte 300 Millionen Euro pro Jahr.