Chronik/Österreich

Konfliktzone Wald: Der Streit um Nutzung

Was gibt es Schöneres, als die „freie“ Natur zu genießen. Gerade im Frühjahr zieht es besonders viele Menschen hinaus ins Grüne. Was aber vielen nicht klar ist: Ein großer Teil aller Aktivitäten im Freien, die über das Wandern hinausgehen, ist rechtlich nicht gedeckt. Grundbesitzer haben bisher Vieles toleriert. Doch ihnen reißt wegen vieler Besucher immer öfter der Geduldsfaden. Und so steigt die Zahl der Konflikte zwischen Erholungssuchenden auf der einen, Grundbesitzern, Forstleuten und Jägern auf der anderen Seite.

Verfolgungsjagd

Zuletzt ist das Aufeinandertreffen eines Waldbesitzers mit drei Motocrossfahrern im Waldviertel eskaliert. Der Mann hat, wie berichtet, die Biker in seinem Auto verfolgt. Dabei stürzte einer von ihnen und wurde schwer verletzt. Jetzt ermittelt die Polizei, denn der Jäger dürfte das Motorrad sogar gerammt haben. Zum Glück kommt es selten zu solch dramatischen Szenen, doch heftige Wortwechsel kommen immer häufiger vor.

Was hat sich geändert? Zu den 2,6 Millionen Österreichern, die zumindest zeitweise wandern gehen, und derzeit bundesweit 451.000 Hunden samt Besitzern, haben sich Anhänger vieler Sportarten gesellt: Mindestens 120.000 Mountainbiker sowie etwa 160.000 Reiter. Dazu kommen außerdem Motocrossfahrer, Paragleiter, Geländeläufer und andere. Im Winter sind weiters Skitourengeher und Schneeschuhwanderer unterwegs. Ihnen stehen mittlerweile 123.000 Jäger gegenüber – die einzigen Naturnutzer, die dafür zahlen.

Auch wenn die Größe all dieser Gruppen ständig wächst, das eigentliche Problem ist ein Missverständnis: Im Gegensatz zur Ansicht vieler Österreicher gibt es kein Recht auf Nutzung des Waldes, die über das Wandern hinausgeht. Alles andere bedarf der Zustimmung der Grundeigentümer und ist zudem durch Forst- und Jagdgesetz eingeschränkt.

Im Klartext: Wer mit Fahrrad, Motorrad, Pferd oder Hund abseits öffentlicher Wege oder definierter Routen ohne Genehmigung des Grundbesitzers unterwegs ist, macht das illegal. So begeht man zumindest eine Besitzstörung und/oder greift in fremdes Jagdrecht ein, wenn man etwa Wild beunruhigt.

Felix Montecuccoli, Präsident des Verbandes der Land- und Forstbetriebe Österreichs, kennt die Problematik nur zu gut: „Es gibt eben keinen Quadratzentimeter Boden, der nicht jemandem gehört. Viele Menschen haben keine Ahnung von den gesetzlichen Regelungen.“

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Ohnmacht

Doch Forstleute fühlen sich oft ohnmächtig, weil sie kaum Möglichkeiten hätten, Menschen wegen Regelverstößen zu verfolgen. Mountainbiker sind – wie Reiter und ab und zu auch Motorradfahrer – mangels Kennzeichen kaum zu identifizieren. Manche von ihnen würden Aufklärungsversuche ignorieren oder mit erhobenem Stinkefinger weiterrasen, wenn sie erwischt werden.

„Ich bemühe mich wirklich, ein vorbildlicher Hundebesitzer zu sein. Trotzdem werde ich immer wieder angeschnauzt“, klagt Bernhard Hasenberger, Besitzer zweier Hunde, aus dem Bezirk Krems in Niederösterreich. „Ich habe kürzlich meine beiden Hunde an der Leine auf einem Feldweg geführt. Weil mir ein Auto entgegenkam, bin ich auf die Böschung des daneben liegenden Hochwasserschutzdammes ausgewichen. Da bleibt der Wagen stehen, ein Jäger steigt aus und schnauzt mich an, dass ich auf dem Weg bleiben soll.“

Anderes Beispiel – andere Seite: Als er eine Hundebesitzerin höflich aufmerksam machte, dass sie ihr Tier anleinen müsse, habe die Dame einen Waidmann gefragt: „Sind Sie auch so ein präpotenter Jäger?“

„Ich habe kein Problem beispielsweise mit Reitern, die mich vorher fragen. Aber es werden immer mehr, die unseren Privatwald einfach gratis nutzen, obwohl wir Sozialabgaben und Steuern dafür zahlen. Jeden Tag sehe ich Hunde ohne Leine im Revier oder Reiter, die Verbotstafeln ignorieren. Pferde beanspruchen aber auch Wege, die wir instand halten, Hunde beunruhigen das Wild“, kritisiert Franz Strasser, Waldbesitzer und Jäger im Waldviertel.

Bisher habe er meist ein Auge zugedrückt. Das bereut er aber nun, weil viele Leute wohl deshalb meinen würden, im Recht zu sein. Strasser hat sich vorgenommen, künftig strenger vorzugehen. Er schlägt eine Pflichtversicherung für Reiter, eventuell sogar Besteuerung und Kennzeichen für Pferde wie Mountainbikes vor, um schwarze Schafe ausforschen zu können. Im Wienerwald etwa zahlen Reiter für die Benützung von Reitwegen (Reitregion Wienerwald) einen Jahresbetrag von 135 Euro. Dafür erhalten sie eine Berechtigungsmarke, die am Pferdekopf angebracht wird.

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Seit einiger Zeit macht die Mountainbiker-Organisation „upmove“ gegen das generelle Verbot des Mountainbikens im Wald mobil. Andreas Pfaffenbichler klagt über Anzeigen gegen Mitglieder gerade in Ostösterreich und fordert eine generelle Öffnung der Forststraßen. Die kommt aber laut Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger nicht in Frage. Viel mehr strebe man kooperative Lösungen auf verträglicher Basis an. Gemeint sind zusätzliche spezielle Mountainbike-Strecken und – Parks. Mehrere Bundesländer, darunter Niederösterreich, setzen auf dieses Pferd. In Leoben und im nö. Wienerwald gibt es deshalb neue Bikerstrecken.

„Wir empfehlen in unseren Ausbildungen für Jagdaufsichtsorgane dringend, alles mit Bedacht zu machen um eine Situation nicht eskalieren zu lassen“, betont Sylvia Scherhaufer, Generalsekretärin des nö. Landesjagdverbandes.