Chronik/Österreich

Täglich beißen neun Hunde zu

Österreichs Hunde beißen so oft zu wie nie zuvor. Trotz umstrittener Maßnahmen wie Hundeführschein oder landesweiter Hundedatenbank. Die Anzeigen nach Hundebissen stiegen von 2011 auf 2012 in sieben von neun Bundesländern – zum Teil eklatant – an (siehe Grafiken unten). Dabei liegt Wien (plus 62) vor Oberösterreich (58) und Salzburg mit 40 Vorfällen. Hunderte Opfer erlitten bei den Attacken schwere Verletzungen. Im Vorjahr wurden gesamt 3163 Bisse in Österreich angezeigt.

Halter- statt Hundeliste

Hundecoach Roland Raske aus St. Veit/Gölsen macht auch die Gesetzgebung für den gefährlichen Trend verantwortlich: „Es geht nicht um die Hunde, es geht um deren Besitzer. Es müsste keine Hunde-Datenbank, sondern eine Hunde-Halterliste geben.“ Und viele Hundefreunde überfordern ihre Tiere, so der Trainer: „Meiner ist doch eh ganz brav. Sie kommen erst zur Ausbildung, wenn schon etwas passiert ist. Die Vermenschlichung der Tiere ist ein großer Fehler.“ Details zum Hundetraining unter www.hundecoachparadies.at.

Die Forderung nach einer Halterliste wird etwa von Veterinär Franz G. (er wollte anonym bleiben) aus Niederösterreich indirekt bestätigt: „Unter vielen Hundebesitzern, vor allem in ländlichen Gebieten, kursiert die Regel, dass der erste Biss sozusagen frei ist.“

Zur Erklärung: Wird eine Anzeige wegen eines Bisses gelegt, dann meldet der Besitzer nach dem Verfahren sein Tier einfach bei einem Bekannten oder Nachbarn an. Beißt der Hund nochmals, gilt der Vorfall wieder als erster Biss. Verhaltensauffällige Tiere, aber auch verantwortungslose Halter werden dadurch nicht auffällig.“

„Verhaltensauffällige Tiere, aber auch verantwortungslose Halter werden durch Ummeldung nicht auffällig.“ Franz G., Tierarzt


Für Gesundheitsminister Alois Stöger – in sein Ressort fällt die bundesweiter Hunde-Datenbank – kein Thema. Denn in seinem Ministerium ist der Tierschutz verankert. Sprecher Fabian Fußeis dazu: „Die Bissproblematik fällt in die Kompetenz der Länder.“ Seit 2013 gibt es allerdings ein Gütesiegel für Hundetrainer durch das Ministerium. Der Fokus liegt dabei auf gewaltfreiem Training der Hunde.

Hundeführschein neu

In Wien, dem Bundesland mit der höchsten Steigerung bei Bissen, will die zuständige Stadträtin, Ulli Sima dem Negativtrend gegensteuern: „Mit Ende 2013 wird der Wiener Hundeführschein evaluiert.“ Details wollte die Umweltstadträtin (noch) nicht verraten. In der Stadt sind 57.000 Hunde gemeldet. Mit Dienstag, 9. März, absolvierten 4875 Halter die Prüfung. Der Hundeführschein ist nur für Listenhunde verpflichtend. Diese elf ausgewiesenen Rassen machen knapp fünf Prozent aller in Wien gehaltenen Hunde aus. Sie sind allerdings für 25 Prozent der Biss-Attacken verantwortlich. Weiters führen Angriffe dieser Rassen zu vergleichsweise schweren Verletzungen. Infos zum Hundeführschein unter www.wien.gv.at.

Gerald Pötz, im Vorstand des österreichischen Hundehalter-Verbandes, übt Kritik: „Wenn Bisse nicht zentral vermerkt werden, dann bleiben verhaltensauffällige Tiere und ihre Halter eine Gefahr. Man darf nicht vergessen, 80 Prozent der Attacken passieren im Privatbereich.“

„Der Hund, der mich gebissen hat, rennt noch immer frei herum“, erzählt Sigmund Graf, der im Juni 2012 in Linz von einem Pitbull im Intimbereich verletzt worden ist. Lange blieben seine Warnungen ungehört. Mittels Handyfoto konnte der 62-Jährige jetzt die Behörden doch aufrütteln.

Wie berichtet, wurde nach der Attacke ein Hund eingeschläfert. Allerdings soll Halter Rudolf T. absichtlich das falsche Tier ans Messer geliefert haben, behauptet Graf. Mit Obelix, so heißt der angebliche Übeltäter, sei er weiterhin ohne Leine und Beißkorb in den Linzer Parks unterwegs. Das habe er ihm gegenüber sogar zugegeben: „Er will seinen Bussibären nicht hergeben. Angeblich geht er jetzt mit ihm in eine Hundeschule.“

Für die Justiz ist Rudolf T. nicht greifbar. Vergangene Woche hat er bereits zum zweiten Mal seinen Strafprozess geschwänzt. Er ist neben der fahrlässigen Körperverletzung auch wegen Waffenbesitzes, Diebstahl und Urkundenunterdrückung angeklagt. Das Bissopfer hat den Gerichtstermin genutzt, um Fotos herzuzeigen und die Richterin zu überzeugen, dass Obelix quicklebendig ist und noch weitere Menschen angegriffen hat.

„Das sind wichtige Hinweise darauf, dass im Vorjahr offenbar der falsche Hund abgenommen worden ist“, bestätigt Walter Engelberger vom Bezirksgericht Linz. An die zuständige Bezirkshauptmannschaft sei nun eine Aufforderung ergangen, das Tier erneut auszuforschen.

Graf drängt auf Aufklärung: „Es geht mir nicht darum, dass T. in den Häfen geht, sondern darum, dass dieser Hund von der Straße kommt. Beim nächsten Mal beißt er vielleicht ein Kind.“

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Hundebiss - Gefahr für Kinder | Create infographics

Grafik-Quellen: Innenministerium, APA, Kinderunfallforschungszentrum Graz

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