Chronik/Österreich

„Ich müsste jetzt Schildkröten töten“

Kürzlich stand wieder einmal die Polizei vor dem Reptilienzoo Happ in Klagenfurt und erbat Einlass. Nein, der Geschäftsführerin Helga Happ ist nichts anzulasten; vielmehr bringen Beamte in unregelmäßigen Abständen amerikanische Schmuckschildkröten vorbei, die sie oder Passanten auf Wiesen, in Teichen oder – wie im vorliegenden Fall – auf der Autobahn aufgelesen haben.

Normale Bürger kommen auch zu Frau Happ. Solche, die die gepanzerten Tiere einst als winzige Jungreptilien gekauft haben und nun feststellen, dass sie mit 30 Zentimetern Panzerdurchmesser doch nicht ins heimische Aquarium passen. In den Reptilienzoo jedoch auch nicht mehr; geht es nach der Europäischen Union müsste Happ etliche Tiere töten.

Die EU veröffentlichte am 14. Juli 2016 eine Liste invasiver Arten – dabei handelt es sich um „importierte“ Tiere oder Pflanzen, die sich in unseren Breitengraden ungehindert vermehren. Ein solches Tier ist die amerikanische Schmuckschildkröte, auch Rotwangen-Schmuckschildkröte genannt. Der Import und der Handel sind verboten, in speziell zertifizierten Zoos mit entsprechender Ausnahmegenehmigung – ein solcher ist der Reptilienzoo Happ – dürfen sie bis zu ihrem Lebensende in Sicherheit leben. Das kann dauern, denn die Lebenserwartung liegt bei 40 Jahren. Und die Latte der EU-Auflagen hoch: Die Tiere dürfen nicht an Private weitergegeben werden, sich nicht vermehren und müssen unter Verschluss bleiben.

„Humane Keulung“

Nun schauen die Schildkröten bei Frau Happ zwar noch immer „schmuck“ aus, der eine Tümpel am Zoo-Areal geht aber über vor mehr als 100 Findlingen. Da kann man in sexueller Hinsicht nichts mehr garantieren. Und wenn es um den Bestand geht, so variiert dieser täglich. „Es gibt Tage, da werden drei Schmuckschildkröten abgegeben. Geht es nach den Behörden in Brüssel, müsste ich wegen der EU-Auflagen jetzt Tiere töten“, sagt sie. Tatsächlich sieht die EU-Verordnung die „Vernichtung“ oder „humane Keulung“ invasiver Arten vor, sofern die Gefahr besteht, dass die Tiere sich vermehren oder entkommen könnten. Außerdem würde Happ die Ausnahmebewilligung für die Haltung dieser Art verlieren.

„Ich kann und werde kein Tier töten“, betont sie. In der freien Wildbahn, wo die Reptilien landen, weil die recht bissigen Tierchen den Besitzern lästig werden, haben die gepanzerten Gesellen auch nichts verloren.

„Fressmaschinen“

„Sie sind Fressmaschinen, fressen Molche, Frösche, Kröten, alles was sich bewegt. Und sie vermehren sich, weil ihre natürlichen Feinde, der Kaiman und das Krokodil, sie hierzulande nicht daran hindern“, so Happ, die nur noch zwei Auswege aus dem Dilemma sieht: „Ich besitze ein 4000 Quadratmeter großes Grundstück am Kreuzbergl bei Klagenfurt. Wenn das Land mir finanziell hilft, dort einen Teich anzulegen, könnte ich eine ausbruchsichere Auffangstation für die Schmuckschildkröten schaffen und diese vom Zoo aus versorgen.“

Happ hat bei Umweltlandesrätin Sara Schaar (SPÖ) vorgefühlt. „Es ist ein Ortsaugenschein geplant, um zu klären, ob diese Variante eine Möglichkeit wäre. Dann wird auch das Land Mittel in die Hand nehmen, um den Tieren einen geschützten Lebensraum zu bieten“, heißt es aus deren Büro. Happs letzter Ausweg: „Ich habe Kontakt zu einem Unternehmen aufgenommen, das auf Tiertransporte spezialisiert ist, und plane, mit meinen Schildkröten nach Brüssel zu fahren.“ Sie werde die Tiere „den EU-Bürokraten vor die Füße legen. Die werden die Tiere töten müssen.“