Hochwasser: Wer zahlt den Einsatz der Helfer?
In diesen Tagen zeigt sich Österreich von seiner besten Seite. In den Hochwassergebieten packen Tausende Freiwillige an, um die Schäden so gut es geht zu beseitigen. Allen voran die schon während der Flut im Dauereinsatz stehenden Feuerwehrleute.
Doch so selbstverständlich für die Freiwilligen ihr Einsatz ist, so kompliziert ist es für viele, dafür vom Dienstgeber eine Freistellung zu erhalten.
Ein Betroffener ist Bernhard Rieglhofer. Der 35-Jährige ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Kritzendorf und hauptberuflich bei der Wiener Berufsfeuerwehr beschäftigt. Seit Tagen ist Rieglhofer in Kritzendorf im Einsatz. Er selbst ist auch vom Hochwasser betroffen. „Ich habe ich mir vier Tage Zeitausgleich genommen. Ob ich Sonderurlaub in Anspruch nehmen darf, ist nicht ganz klar“, sagt Rieglhofer.
Dass ausgerechnet die Berufsfeuerwehr ihren Mitarbeitern im Katastrophenfall nicht automatisch bezahlten Sonderurlaub gewährt, sorgt für Gesprächsstoff. „Wir können es nicht verantworten, dass wir allen Freiwilligen Sonderurlaub gewähren. Meistens ist auch Wien vom Hochwasser der Umland-Gemeinden betroffen und wir brauchen die Einsatzkräfte in der Stadt“, sagt Gerald Schimpf, Sprecher der Wiener Berufsfeuerwehr.
Gipfelgespräch
Angesichts dieser verfahrenen Situation hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner heute, Dienstag, zum Freiwilligen-Gipfel geladen. Vertreter von Bundesministerien, von Freiwilligenorganisationen, Interessensvertretungen, Ländern und Sozialpartnern werden um eine Lösung ringen.
Dabei geht es um Fragen der Gleichbehandlung aller Hilfsorganisationen, aber auch ums Geld: „Die Entgeltfortzahlung für Feuerwehrangehörige und die Möglichkeit des Regresses für ihre Arbeitgeber wurde ja bereits thematisiert“, sagt Mikl-Leitner. Ihr reicht aber eine Lösung nur für die Feuerwehr nicht aus. Auch andere freiwillige Hilfsorganisationen haben das Problem bei Dienstfreistellungen. Derzeit sind die Helfer auf den guten Willen ihrer Arbeitgeber angewiesen.
Rechtsproblem
„Unbestritten ist arbeitsrechtlich derzeit nur, dass freiwillige Helfer nicht entlassen werden dürfen“, sagt der Vizepräsident der nö. Arbeiterkammer, Michael Fiala. Dienstfreistellungen sind jedoch derzeit ein gesetzlicher Fleckerlteppich.
So ist etwa im NÖ Katastrophengesetz (§§ 5 und 15) festgelegt, dass jedermann verpflichtet ist, über Anordnung des Einsatzleiters seine Einsatzkraft zur Verfügung zu stellen. Das betrifft primär Feuerwehrleute. Mitarbeiter anderer Hilfsorganisationen (Rotes Kreuz, ASBÖ, etc.) können vom Dienst fernbleiben, um Gefahr von Leib und Leben abzuwenden. Bei Nothilfe kann ausnahmslos jeder Dienstnehmer ohne Okay des Arbeitgebers vom Arbeitsplatz fernbleiben.
Wer sich aber freiwillig zum Hochwassereinsatz meldet (und selbst nicht vom Hochwasser betroffen ist), muss die Dienstabwesenheit zuerst mit dem Arbeitgeber klären, und sich Urlaub oder Zeitausgleich nehmen.
Und genau da tut sich etwa für Feuerwehrleute ein weiteres Problem auf. In NÖ besteht für freiwillige Feuerwehrleute ein Anspruch auf Verdienstentgang, der bei den Gemeinden geltend gemacht werden kann. Wer sich aber Urlaub nimmt, fällt nicht unter diese Regelung.
Nicht nur der Bundesfeuerwehrverband hatte zuletzt seine Forderung nach einer regulären Entgeltfortzahlung für Freiwillige erneuert. Die AKNÖ wünscht sich ein eigenes Freiwilligengesetz. Aus dem Innenministerium heißt es dazu, man werde heute alle Modelle erörtern. Der Ministerin gehe es um eine „Gesamtlösung für freiwillige Hilfskräfte.“
Aufgrund der schweren Unwetter im Bezirk Hollabrunn in Niederösterreich sind in der Nacht auf Dienstag hunderte Feuerwehrmitglieder im Einsatz gestanden. Nach Angaben des Bezirkskommandos war die Lage vor allem im Pulkautal dramatisch. Straßen standen bis zu 40 Zentimeter unter Wasser, hängen gebliebene Fahrzeuge mussten geborgen werden. Wohnhäuser waren von den Wassermassen bedroht und wurden teilweise mit Sandsäcken gesichert.
In einer Tankstelle in Schöngrabern schlug ein Blitz ein, es kam zu einem Schmorbrand in der Elektroinstallation, der rasch gelöscht werden konnte.
Ein Wohnhaus in Dürnleis wurde laut Feuerwehr von einer meterhohen Flutwelle durchspült. Zwei Menschen wurden von den Wassermassen mitgespült, sie blieben aber unverletzt.
Der Pegel der Pulkau wurde laufend kontrolliert, doch dem raschen Anstieg folgte auch wieder ein rasches Absinken. Die meisten Einsatzkräfte konnten in den frühen Morgenstunden wieder einrücken, um 8.00 Uhr standen aber immer noch zehn Feuerwehren im Einsatz.
Acker- und Weinkulturen beschädigt
In den Bezirken Gänserndorf und Korneuburg sind am Montagnachmittag rund 2.400 Hektar an Agrarland geschädigt worden. Betroffen waren Acker-, Wein- und Gemüsekulturen, berichtet die Österreichische Hagelversicherung.
Bereits am Sonntagabend hatte ein Hagelunwetter im Bezirk Krems Schäden an rund 600 Hektar Weinkulturen verursacht. Das gesamte Schadensausmaß an den beiden Tagen beträgt knapp zwei Millionen Euro, rund 3.000 Hektar Agrarfläche seien geschädigt worden.
Keller und Straßen im Mürztal überflutet
Ein heftiges Unwetter hat am Montagnachmittag auch im obersteirischen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag mehrere Feuerwehreinsätze ausgelöst. In den Gemeinden Hönigsberg, Langenwang, Neuberg an der Mürz und Spital am Semmering waren Keller überflutet und Straßen unpassierbar. Vier Feuerwehren mit 64 Einsatzkräften und zwölf Fahrzeugen waren bis 20.00 Uhr unterwegs, um die Schäden zu beseitigen.
Der heftige Regen - zeitweise hatte es auch gehagelt - hatte gegen 16.10 Uhr eingesetzt, so Bezirks-Feuerwehrpressesprecher Robert Pusterhofer. Die Untergeschoße einiger Häusern standen binnen kurzer Zeit unter Wasser, in Langenwang wurde eine Unterführung der ÖBB-Südbahnstrecke überflutet. In Neuberg wurde der Lichtenbach verklaust und musste freigeräumt werden. Die Lage entspannte sich jedoch, als die heftigen Niederschläge nachließen und in Landregen übergingen.
Ruhig ist es zum Glück in Oberösterreich geblieben.Die neuerlichen Regenfälle am Montagabend und in der Nacht auf Dienstag haben keine größeren Überschwemmungen nach sich gezogen.
„Am Dienstag kommt der Gutachter aus Salzburg und beginnt mit der Aufnahme des Schadens“, berichtete der Bürgermeister von Hüttau, Rupert Bergmüller, am Montag. In der kleinen Pongauer Gemeinde hatte eine Mure eine Schneise der Verwüstung gezogen und mehrere Häuser zum Teil mitgerissen. „Das wird Millionen kosten“, vermutete Bergmüller.
Auch in Taxenbach im Salzburger Pinzgau kann man noch keine genauen Zahlen nennen; hier schätzte Vizebürgermeister Max Präauer aber, dass der Schaden in die „zig Millionen“ gehe. In Taxenbach wurden wie in Hüttau einige Häuser von Muren dermaßen zerstört, dass sie auf Dauer unbewohnbar sind.
Oberndorf war die vom Hochwasser am stärksten betroffene Gemeinde im Flachgau, hier wurden 50 Häuser einer einzigen Straße überflutet. Teilweise stand das Wasser 1,50 bis 1,80 Meter hoch in den Häusern. Bürgermeister Peter Schröder beziffert die Schadenshöhe mit 1,2 bis 1,5 Millionen Euro. „Dazu kommen noch zwei bis drei Millionen Euro, die die öffentliche Hand für künftige Hochwasserschutz-Maßnahmen ausgeben muss.“
50.000 Euro pro Haus
Im Tiroler Kössen, das im Hochwasser zu großen Teilen versunken war, sind die Gutachter des Landeskatastrophenfonds seit Montag unterwegs. „Wir hoffen, dass wir bis Mittwoch wissen, wie groß das Gesamtschadensausmaß ist“, sagt Ortschef Stefan Mühlberger. Die zu erwartenden Dimensionen hätten bei ihm Gänsehaut verursacht. „Es sind rund 450 Häuser betroffen. Wenn wir von einem Schaden von 50.000 Euro pro Gebäude ausgehen dann müssen wir mit 22,5 Millionen Euro rechnen.“
Neben den vielen Privathaushalten hat es auch rund 60 Betriebe erwischt. Im Unterland haben laut Robin Wolf von der Wirtschaftskammer 120 Unternehmen Schäden gemeldet. „Die gehen in die Millionen. Wie hoch der Betrag wird, steht aber vorerst in den Sternen.“ Auch die öffentliche Hand untersucht noch, wie viel Infrastruktur durch Hochwasser und Hangrutschungen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Für die Instandsetzung von Straßen (sechs Millionen Euro) und Hochwasserbauten (4,6 Millionen Euro) sind laut Land Tirol 10,6 Millionen Euro zu veranschlagen.
In OÖ wurden insgesamt 228 Gemeinden vom Hochwasser geschädigt. 22 Orte und Städte galten als „schwer bis schwerst betroffen“ – mit Schadenssummen an Gebäuden und Liegenschaften von jeweils über einer Million Euro. Für heute, Dienstag, wird ein Anstieg der Pegelstände des Inn und der Donau prognostiziert.