Touristenplage und Tiertragödie
Bitte, wo geht es hier zum Hochwasser?“ – nach der Naturkatastrophe fallen in den leidgeprüften Orten entlang der Donau jetzt neue Quälgeister ein. Nach dem Motto „Gemma Hochwasser schauen“ sind die überschwemmten Orte für manche „Touristen“ beliebte Fotomotive.
„Bitte unterlassen Sie unbedingt Fahrten in das Hochwassergebiet. Die Einsatzkräfte benötigten die Straßen dringender“, appelliert die Kremser Feuerwehr an Neugierige. Oft umsonst. In Theiss nahe Krems etwa versuchen seit Dienstagabend bis zu 400 Feuerwehrleute, Bundesheer-Angehörige und freiwillige Helfer, einen Schutzdamm abzudichten. Verschärft wird die Situation durch ungesteuerte Aufrufe, dass Helfer gesucht werden. „Bitte nicht, es gibt in Theiss keinen Platz dafür“, appellieren Verantwortliche.
Schweden
„So etwas haben wir noch nie gesehen“, hört man aus einer Reisegruppe aus Schweden, die den Zillenverkehr am Melker Hauptplatz beobachtet. Es wird heftig fotografiert. Auch in Klosterneuburg stehen Dutzende Menschen auf einer gesperrten Brücke und beobachten die Wassermassen.
„Wenn sich die Menschen an die Regeln halten, ist das kein Problem“, sagt ein Feuerwehrmann. Nur leider sei das oft nicht der Fall. „Wir mussten Autos abschleppen, weil Zufahrten zu den Krisengebieten blockiert wurden“, sagt Melks Chefinspektor Karl Nestelberger.
Am oberösterreichischen Attersee musste Dienstagabend sogar der Schiffsverkehr eingestellt werden. Grund dafür waren Schaulustige, die in privaten Motorbooten die Einsatzkräfte auf dem See behindert hatten.
Tiere in der Falle
Das Wasser entwickelt sich auch zur tierischen Katastrophe: „Tierfreunde haben mich unter Tränen aufgelöst angerufen, dass viele Wildtiere an der A22 zwischen dem Wasser und dem Wildschutzzaun in der Falle stecken“, sagt Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins. Die einzige Möglichkeit, die Tiere zu retten, sieht sie im Öffnen der Zäune. „Die Autobahn müsste dafür gesperrt werden. Aber die Flut steigt weiter und eine Nacht in dem eisigen Wasser werden die Tiere nicht überleben.“ Sie appelliert an Innenministerium und Behörden, zu handeln.
Anderswo bringen Schaulustige Wildtiere in Not, die sich auf die Dämme gerettet haben. Aus Angst springen viele Tiere wieder ins Wasser zurück. Mitarbeiter des Nationalparks Donauauen stehen daher seit Mittwoch an den Zugängen zum Damm bei Stopfenreuth und Schönau an der Donau (Bezirk Gänserndorf). Schaulustige werden dort nicht mehr durchgelassen.
Als Notmaßnahme wurde am Mittwoch auch die Au bei Stockerau gesperrt, nachdem nicht nur Schaulustige in Scharen in den überfluteten Wald vordrangen sondern auch Kanufahrer im überfluteten Unterholz gesichtet worden waren. Peter Lebersorger vom Landesjagdverband appelliert, „das Katastrophengebiet zu meiden“, damit sich die Tiere in Ruhe in Sicherheit bringen können.
„Wer Wildtiere sieht, soll sie gefälligst in Ruhe lassen“, warnt auch der Tullner Bezirksförster Roland Jaggler. „Denn sonst springen die Tiere in Panik wieder ins Wasser und werden dort sterben.“
Vor allem für Jungtiere scheint die Lage hoffnungslos: „Viele Rehkitze und Frischlinge werden im Hochwasser sterben“, sagt Aufsichtsjäger Thomas Feltl.
Generell ist das Schicksal der Wildtiere den wenigsten egal. Die Rettung zweier Bambis am Montag in den Donauauen bei Ardagger fand ein Riesenecho. Retter Andreas Haunschmid von der Feuerwehr Kollmitzberg erhielt für seine Heldentat auf Facebook innerhalb eines Tages 4000 Likes.