Chronik/Österreich

Grazer FPÖ-Stadtparteitag mit Aufarbeitung eines "Sauhaufens"

Die Grazer FPÖ hat sich Freitagabend nach den Turbulenzen des vergangenen Jahres beim Stadtparteitag neu aufgestellt: Nach dem geräuschvollen Abgang des ehemaligen Vizebürgermeisters Mario Eustacchio und des früheren Klubchefs Armin Sippel wollen Claudia Schönbacher als Stadtparteiobfrau und Axel Kassegger als geschäftsführender Obmann die Partei in Form einer Doppelspitze in bessere Zeiten führen. Schönbacher erhielt aber nur magere 73,3 Prozent der Delegiertenstimmen.

Spesen-Skandal

Die Grazer FPÖ war bis zum Vorjahr zusammen mit dem ehemaligen ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl in einer Koalition. Nicht nur Nagl musste für Elke Kahr (KPÖ) seinen Platz räumen, auch Eustacchio musste bei der Wahl im September 2021 herbe Verluste hinnehmen. Der Ruf nach Konsequenzen wurde damals immer lauter. Als dann auch noch Enthüllungen rund um Spesen-Ausgaben und möglicherweise illegalen Entnahmen aus der Parteikasse ans Licht kamen und der ehemalige Finanzreferent Selbstanzeige erstattete, brachen die Dämme: Eustacchio und Sippel zogen sich zurück. Der ehemalige Vizebürgermeister ist mittlerweile sogar aus der Partei ausgetreten.

Binnen weniger Tage musste die Nachfolge geregelt werden: Mit Schönbacher fand sich eine langjährige Gemeinderätin, die den Job als Stadträtin antrat und nun auch beim Parteitag laut Delegiertenmappe zum "Stadtparteiobmann" gewählt wurde. Von den 172 Delegierten stimmten 165 ab, von ihnen votierten aber nur 121 für Schönbacher. 44 waren Gegenstimmen oder enthielten sich der Stimme. An ihrer Seite übernimmt Kassegger die Geschäftsführung. Hinzu kommen acht Stellvertreterinnen und Stellvertreter, darunter auch Michael Winter, Sohn der ehemaligen Stadträtin Susanne Winter, der 2008 mit Äußerungen zu Muslimen für Aufregung gesorgt hatte.

In den Begrüßungsworten des Parteitages unter dem Motto "Zurück zur Basis - mutig, bürgernah, verbindend" meinte Schönbacher: "Ich spüre eine Aufbruchstimmung." Landesparteisekretär Stefan Hermann blickte zurück: "Die letzen Wochen und Monate waren alles andere als einfach: Es gab Niederlagen, es gab Misstrauen und die Stimmung war nicht besonders gut. Aber es gab auch Größe: Leute haben Verantwortung übernommen und arbeiteten an der Aufklärung mit. Die Doppelspitze ist das richtige Signal, denn es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern es geht darum für Graz zu arbeiten und die FPÖ Graz zu alter Stärke zu bringen."

Der neue Finanzreferent René Apfelknab versuchte in seinen Worten Transparenz zu unterstreichen: "In der Vergangenheit ist so einiges passiert, Fehler und so manche Missstände. Die müssen wir verhindern, daher wurden Schritte mit klaren Regeln festgesetzt." Man habe nun unter anderem das Sechs-Augen-Prinzip eingeführt. Sein Budget stehe für "Stabilität, Verlässlichkeit und Transparenz".

"Wurmlöcher"

Der laut Klubobmann Alexis Pascuttini "niederschmetternde Bericht" von Rechnungsprüfer Karlheinz Morré räumte mit der Vergangenheit auf: Ihm sei jahrelang lediglich das "Blumenkonto" mit etwa 15.000 Euro zur Prüfung vorgelegt worden - "hauchdünne Ordner" seien es gewesen. Als der Skandal ans Licht kam, tauchten nach und nach weitere Konten auf - "Wurmlöcher", wie es Morré sagte. "Als Rechnungsprüfer fühle ich mich von gewissen Herrschaften gefrotzelt." Er lobte die Aufklärungsarbeit von Sippel und Roland Lohr, bei anderen habe sich offenbar "Alzheimer" breitgemacht. "Ich verstehe eure Wut, dass manche die Parteikasse als Selbstbedienungsladen gesehen haben."

Nach Aufarbeitung aller Konten und Bücher seien mehr als 1,1 Millionen Euro an Geldflüssen "nicht aufklärbar". "Noch nie habe ich so einen Sauhaufen in der Gebarung vorgelegt bekommen", kritisierte Morré weiter. Bis zu 50.000 Euro seien bar bei Banken von den Konten abgehoben und "im Plastiksackerl durch die Herrengasse" getragen worden.

Pascuttini indessen versprach, dass es unter Schönbacher, Kassegger und ihm als Klub-Chef so etwas "nie mehr wieder" geben werde und erntete dafür Applaus. Man habe bei der Aufarbeitung niemanden geschont und mit den neuen Regeln garantiere er, dass künftiger Missbrauch ausgeschlossen werden kann.

Nervosität

Vor der Abstimmung der Delegierten trat Schönbacher an das Rednerpult - "nervös" wie sie sagte: Sie unterstrich, dass es nun nur mehr ein einziges Konto der FPÖ Graz gibt und sie als Stadträtin ein Verfügungskonto hat. Mit dem Sechs-Augen-Prinzip werde Missbrauch unterbunden, sagte die gelernte Friseurin "aus einer einfachen Arbeiterfamilie". Sie meinte, dass solche Skandale passieren, "wenn man den Draht zur Basis verliert. Freunde und Mitstreiter bestiehlt man einfach nicht." Applaus kam auf - auch am Ende ihrer Rede. Standing Ovations blieben allerdings aus.

Nationalratsabgeordneter Kassegger sagte, dass es "keine Kämpfe" um die neue Führung in der Partei gegeben habe: "Es gab unterschiedliche Meinungen, Team eins und Team zwei." Die Doppelspitze sei nun ein Kompromiss, bei dem jeder das einbringen könne, was er könne.