Chronik/Österreich

Mikl-Leitner erzwingt Öffnung von Kasernen

Zum dramatisch steigenden Flüchtlingsstrom aus dem Süden kommen jetzt auch noch die ersten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine dazu. Bei einer Krisensitzung im Innenministerium wurden Sonntag dramatische Schritte gesetzt: Ansuchen um einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres, wodurch Flüchtlinge auch gegen den Widerstand diverser Bürgermeister in Kasernen untergebracht werden können. Außerdem wurde Verbindung zum Roten Kreuz wegen der Errichtung einer Zeltstadt aufgenommen.

Zurzeit werden pro Woche rund 700 Asylanträge gestellt. Das ist der Rekordwert der letzten zehn Jahre. "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand," meinte ein Beamter zum KURIER. Denn am Dienstag wird im Erstaufnahmelager Traiskirchen die Zahl von 1600 Insassen erreicht sein. Das liegt nicht nur weit über der politisch festgelegten Obergrenze von 480, sondern ist dann auch das Maximum aus feuerpolizeilicher Sicht. Die Turnsäle der Polizei sind ebenfalls gefüllt. Andere Quartiere sind wegen der Widerstände in den Bundesländern nicht verfügbar.

Flächenwidmung

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So wehrte sich der Linzer Bürgermeister Klaus Luger unter Hinweis auf die Flächenwidmung gegen die Belegung der leer stehenden Hillerkaserne. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl will sogar zwei leer stehende Kasernen kaufen, damit sie nicht mehr für Asylanten zur Verfügung stehen. Die Gemeinde Spital am Semmering fasste einen einstimmigen Gemeinderatsbeschluss gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in einem alten Hotel(siehe unten).

Kommende Woche würden die ersten Flüchtlinge auf der Straße stehen. Das will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner keinesfalls zulassen: "Ich werde es in dieser Situation nicht einzelnen Landes- und Gemeindeverantwortlichen gleichtun und den Kopf in den Sand stecken."

Daher wird der Assistenzeinsatz des Bundesheeres angefordert. Das bedeutet nicht, dass Soldaten an der Grenze stehen werden. Mit einem Assistenzeinsatz werden die Bürgermeister umgangen: Dann kann beispielsweise der Linzer Bürgermeister seinen Flächenwidmungsplan vergessen, und die Hillerkaserne steht für Flüchtlinge offen.

Weiters will Mikl-Leitner Verbindung mit dem Roten Kreuz wegen der Errichtung von Zeltstädten aufnehmen. Solche Lager gibt es bereits in Deutschland, etwa in Duisburg. Dass das österreichische Rote Kreuz dazu in der Lage ist, bewies es unter anderem 1999 in Shkodra in Albanien. Dort wurde eine Zeltstadt für die Unterbringung von 5000 Kosovaren für mehrere Monate errichtet.

Tiefpunkt

Glücklich ist Mikl-Leitner mit diesen Maßnahmen nicht, reicht aber die Verantwortung an die Bundesländer weiter. "Wir bekommen einerseits von den Bundesländern ausgerichtet, dass sie eigentlich auf Knopfdruck Hunderte Flüchtlinge in vernünftigen Quartieren unterbringen könnten – dass das aber aufgrund des Widerstands einzelner Bürgermeister nicht geht. Wenn wir deshalb in Kasernen und vielleicht sogar Zelte wie in Deutschland ausweichen müssen, dann stehen wir vor einem neuen traurigen Tiefpunkt in diesem Lande."

Die Flüchtlingswelle reißt nicht ab: Sonntag strandeten erneut Syrer in Österreich. Sie wollten in einem Zug von Italien nach Deutschland gelangen. Die elf Menschen wurden bei einer Kontrolle in der Nähe von Villach entdeckt.

Sie dürften demnächst nach Italien zurückgebracht werden. So erging es auch jenen neun Syrern, die Samstagabend in zwei Autos in Gries am Brenner in Tirol entdeckt wurden. Zwei Ägypter wurden wegen des Verdachts der Schlepperei angezeigt. Ebenfalls Samstagabend wurden in einem Zug drei syrische Familien aufgegriffen: Die 16 Betroffenen, darunter auch einige Kinder, wurden in einer Art Anhaltestelle in Plon versorgt. Schon Freitagabend war die Reise nach Deutschland für 50 Syrer in Tirol zu Ende.

Indes reißen die Proteste in Österreich aber nicht ab. In Spital am Semmering dürften die Emotionen bei einer Bürgerversammlung heute, Montag, Abend hoch gehen: Ohne die Zustimmung der Gemeinde einzuholen, mietete das Innenministerium ein ehemaliges Hotel mit 200 Betten im Ortsteil Steinhaus als Asylquartier an. Am vergangenen Freitag waren bereits 140 Flüchtlinge dort untergebracht. Das sei angesichts des Einwohneranteils von 560 Menschen in der Katastralgemeinde zu viel, glaubt SPÖ-Bürgermeister Reinhard Reisinger.