Ein Sturm pfeift um Seiersberg
Fernseh-Lachnummer war Seiersberg schon einmal. Vor vier Jahren witzelte Schauspieler Gregor Seberg im Privat-TV über das größte steirische Einkaufszentrum und amüsierte sich, dass Gebäude als Wege eingestuft wurden. Nur so war nämlich der Bau rechtlich durchzudrücken - und jedermann wusste das.
Was Seberg 2015 mit Witz und Augenzwinkern rüberbrachte, geht jetzt eine anonyme Seite im Internet halblustig an: „Whistleblower Graz“ strotzt vor Vorwürfen gegen das Einkaufszentrum und dessen Errichtung, Politiker und Eigentümer werden tendenziös beschrieben. Das ist medienrechtlich bedenklich und politisch auffällig: Die angriffige Homepage zündete erst so richtig, als bekannt wurde, dass die Landesregierung den Bau weiterhin rechtlich stützt. Eine Gesetzesänderung legalisierte Teile des Komplexes bekanntlich nach einem Höchstgerichtserkenntnis nachträglich.
Ein anderer Stil
Wer die Seite erstellt hat oder wer die Auftraggeber dahinter sind, geht aus der Homepage nicht hervor. Sie hat kein Impressum. Allerdings wird eine in der Grazer Wirtschafts- und Politikszene bekannte PR-Frau mit ihr in Verbindung gebracht, Claudia Babel. Babel war in der Vergangenheit wiederholt für die Stadt-ÖVP unter Bürgermeister Siegfried Nagl tätig und hatte auch Aufträge in jüngster Zeit. Der ÖVP-Chef tritt vehement gegen das Einkaufszentrum auf, dessen Bau er als illegal einstuft.
Nagl weist aber jedes Wissen um die „Whistleblower“-Seite zurück: „Einen solchen Stil lehne ich entschieden ab. Jede Form der Diskreditierung, der Verächtlichmachung von Menschen, liegt mir fern.“ So etwas habe er in seiner Karriere „weder veranlasst noch getan“. Die Zusammenarbeit mit Babel sei jedenfalls mit Dienstag beendet worden. „Weder von meiner Seite noch von der Stadt und schon gar nicht von meiner Partei hat es Aufträge an Anwälte oder Agenturen gegeben, in dieser Causa tätig zu werden“, beteuert Nagl. Babel selbst war für den KURIER nicht erreichbar.
Wem nützt die Homepage also? Da scheint sogar die politische Opposition ratlos und verbeißt sich lieber in das „System Nagl-Babel“, wie es Karl Dreisiebner, Klubchef der Grünen, nennt: „Was sich da auftut, ist ein handfester Skandal.“ SPÖ-Stadtobmann Michael Ehmann fordert Überprüfung durch den Stadtrechnungshof.