Chronik/Österreich

Der harte Alltag in Slums in Indien: Wie Österreicher helfen

Die Kinder sitzen auf dem Fliesenboden neben ausrangierten Fitnessgeräten. Sie tragen blaue Schuluniformen, die meisten sind barfuß. Vor der Tür des improvisierten Klassenzimmers erstreckt sich das blaue Meer, doch im Sand türmt sich Müll. Männer in schmutziger Kleidung hämmern auf ein altes Boot ein; es sind Fischer in der Küstenstadt Visakhapatnam in Indien.

Die Szenerie ist trist – doch die Kleinen sind gut gelaunt. Dass sie zur Schule gehen, ist nicht selbstverständlich (siehe Foto oben). Manche sind Kinder der armen Fischer, andere haben gar keine Eltern mehr. In Indien heißt das meist: ein Leben auf der Straße, betteln, stehlen oder Prostitution.

Seit 30 Jahren betreiben die Salesianer Don Bosco hier die Schule „Beach Blossom“, unterstützt werden sie von der Hilfsorganisation „Jugend Eine Welt“. Die Kinder lernen lesen, schreiben und rechnen – und erhalten so eine Chance, dem Leben im Schmutz der Straße zu entkommen.

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Eine von ihnen ist die 14-jährige Mahalakshmi: Ihr Markenzeichen ist ihre Haube („ich will anders sein“, betont sie), sie interessiert sich für die Umwelt, für Tiere und für Tanz. „Wenn ich tanze, vergesse ich, dass ich traurig bin.“ Ihr Lieblingsfach? Mathematik. „Ich mag es, Probleme zu lösen“, sagt sie und lächelt.

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„Früher wurden Mädchen ignoriert“

Und Probleme, die gibt es in Indien gerade für Frauen zuhauf. Früher wurde keinerlei Wert auf ihre Ausbildung gelegt, nach wie vor werden sie Opfer von Gewalt. Themen, über die Mahalakshmi mit Freundinnen sehr oft spricht. „Früher wurden Mädchen ignoriert. Aber das wird langsam besser“, erzählt sie.

Ihr Traum? Sie möchte Juristin werden. Und ihren Eltern, die Hafenarbeiter sind, ein Haus kaufen. Damit sie endlich der Armut entkommen.

Fast die Hälfte der Menschen lebt in Armut

Einer, der sich seit Jahrzehnten um Straßenkinder kümmert, ist Don-Bosco-Pater Noel Maddhichetty. „Indien ist reich an Kultur, Sprachen und Religionen“, sagt er. Aber beinahe die Hälfte der 1,4 Milliarden Einwohner lebe in Armut.

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Die oberste Kaste habe kein Interesse am Aufstieg der unteren Kasten. „So würden die Armen immer arm bleiben“, sagt Pater Noel. Daher sei es so wichtig, den Menschen Bildung zu ermöglichen. Wo auch immer sie leben, wie arm sie auch sein mögen – mit Bildung sei ein Ausweg aus der Not möglich.

Hilfe in Stadt und Land

Im kleinen Dorf Umarasagondi nahe Visakhapatnam besteht die Schule etwa nur aus einem Raum – ohne Wasser, Strom, Möbel. Gelernt wird auf Teppichen auf dem Boden.

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In den Städten wiederum suchen die Don-Bosco-Padres oft Arme in den Slums auf. Viele Bewohner der Zwölf-Millionen-Metropole Hyderabad müssen hier unter unvorstellbaren Umständen leben: In einem Slum, in dem die Menschen vom Aussortieren von Müll leben, türmt sich der Unrat.

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Die Hütten bestehen aus Müllsäcken und Plastikplanen. Strom und Wasser gibt es nicht, nur Schmutz und Elend. Jedes Jahr schwemmt der Monsun die Siedlung weg – jedes Jahr wird danach wieder alles aufgebaut.

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„Jugend Eine Welt“ ist eine Non-Profit-Organisation, die Kindern und Jugendlichen in aller Welt hilft. Spenden sind steuerlich absetzbar, "Jugend Eine Welt" verfügt über das Spendengütesiegel.

Spenden: www.jugendeinewelt.at/spenden. Spendenkonto: IBAN AT66 3600 0000 0002 4000 

Ein paar Stunden pro Tag kommt ein Lehrer hierher, auch Freiwillige von „Jugend Eine Welt“ helfen (mehr siehe unten). Sie üben mit den Kleinen das Lesen und Schreiben, außerdem wird gesungen und gespielt. Und manchmal gibt es sogar ein Stück Schokolade. 

Bildung ist die einzige Chance

Nicht alle Eltern aus dem Slum seien davon begeistert, sie hätten die Kinder lieber als Arbeitskräfte, erzählen die Helfer. Doch man bleibe hartnäckig – immerhin gibt es nur mit Bildung eine Chance, diesem Leben zu entkommen.

Immer mehr Mädchen schaffen es

Und es gibt sie auch, die Erfolgsgeschichten: Santosh etwa war ein Straßenjunge, der als Elfjähriger von einem Zug fiel und einen Arm und ein Bein verlor. Er wurde von Don Bosco aufgefangen und ist heute Sozialarbeiter. Oder Lokesh, der vom Straßenkind zum Schauspieler wurde.

Und es gibt auch immer mehr Mädchen, die es schaffen: Etwa die 20-jährige Vaishu.

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Sie ist in einem Heim für obdachlose Mädchen in Hyderabad aufgewachsen. Ihr Vater ist früh verstorben, ihre Mutter lebt in einem entfernten Dorf und verdient ein wenig Geld mit Bügeln. Eine Schulbildung hätte ihr die Familie nicht finanzieren können – im „Prem-Seva-Sadan“-Heim wurde dies möglich.

Mittlerweile macht sie eine Ausbildung zur IT-Expertin. Vaishu ist zielstrebig, neugierig und lacht gerne. Ihr Traum? „Ich möchte viel Geld verdienen und dann allen anderen helfen, die arm sind.“

Auch Österreicher sind in Indien vor Ort und helfen

Etwa die 18-jährige Fernanda: Sie sitzt auf einem staubigen Teppich, umringt von einer Kinderschar. Gemeinsam üben sie einen Auszählreim. Die Kinder sind aufmerksam, lachen und drängen sich um Fernanda.

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Der Unterricht und die Spiele sind eine willkommene Ablenkung in ihrem harten Alltag: Sie wachsen nämlich in einem Slum im indischen Hyderabad auf. Die Erwachsenen in diesem Armenviertel leben vom Verkauf von bunt bemalten Statuen von Hindu-Göttern. Eine Arbeit, die gerade genug Geld zum Überleben einbringt  – aber nicht genug, um den Kindern den Schulbesuch zu ermöglichen.

Ein Lehrer gibt den Kindern täglich  Unterricht. Und die Freiwilligen, die hier im Einsatz sind, helfen beim Lernen  und schenken den Kindern vor allem ihre Aufmerksamkeit: Eben die 18-jährige Fernanda aus Reutte in Tirol, der 20-jährige Steffen aus Guntramsdorf (NÖ), die 32-jährige Julia aus Wien und der 18-jährige Florian aus Stuttgart.  Als „Volunteers“, also als Freiwillige, sind sie seit September für „Volontariat bewegt“ auf Sozialeinsatz im indischen Hyderabad.  

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Die Arbeit im Slum sei eine Herausforderung, erzählen sie. „Wie die Leute dort leben, hat mich anfangs schockiert“, sagt Fernanda. Auch die Härten des Alltagslebens in Indien – Armut, Schmutz, Lärm, Menschenmassen und der äußert chaotische Verkehr – seien fordernd. „Aber solche Erfahrungen erweitern den Horizont. Es wird einem bewusst, in welchem Luxus wir leben“, erzählt Steffen. „Und es ist so schön, wenn wir die Kinder hier zum Lachen bringen.“

Freiwilligen-Einsatz ist auch später im Leben möglich: Der Oberösterreicher Gerald Lachmair ging in seiner Pension als „Senior-Expert“ nach Indien. Der passionierte Schiedsrichter trainiert dort Burschen im Fußball. „Ich erlebe hier eine Disziplin und Freude, die man sich in Österreich nur wünschen könnte“, sagt er. „Man gewinnt neue Perspektiven. Und man gibt – aber im Grunde wird einem selbst etwas geschenkt.“

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Ähnlich drückt es auch Autorin und Moderatorin Chris Lohner aus, die „Jugend Eine Welt“ seit 2021 unterstützt. „Helfen tut einem selbst auch gut, daher ist Hilfe für mich rückbezüglich.“ Wichtig sei vor allem die Förderung der Jungen: „Bildung ist einfach wirklich die einzige Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu haben.“

Die Reise erfolgte auf Einladung von "Jugend Eine Welt".