Bildungsreport: Glück kleiner Experten
Ingrid, prüf mich ab!" Die achtjährige Lilly ist stolz auf das, was sie bereits gelernt hat. Und sie will ihr Können der Lehrerin Ingrid Teufel auch zeigen. "Lernen ist dann besonders erfolgreich und nachhaltig, wenn es von positiven Emotionen begleitet ist. Das wissen wir aus der Gehirnforschung", sagt die Pädagogin.
Dieses Glücksgefühl beim Lernen will das Lernzentrum am Friedrichsplatz in Wien vermitteln, wo Schüler von der 1. bis zur 8. Schulstufe sitzen. Die Tafel ist mit Postern zugeklebt. Frontalunterricht gibt es hier keinen. Stattdessen sitzen die Schüler in Gruppen zusammen und lernen in Projekten.
Finn, 10, weiß das zu schätzen: "Ich war vorher an einer anderen Schule. Da hat immer nur die Lehrerin gesprochen. Hier fühle ich mich wohl und lerne auch sehr gerne." Die Schulglocke läutet zur Pause. Doch das stört hier niemanden. Viele Schüler sind so vertieft in ihre Bücher, dass sie bei der Sache bleiben wollen. Denn jeder ist hier ein Experte. "Wir geben nur die großen Themen vor. Das kann z.B. der Wald sein. Jedes Kind spezialisiert sich. Eines konzentriert sich auf Laubbäume, das andere auf Vögel. Am Ende lernen alle voneinander. Lehrer von Schülern, Schüler von Schülern", erläutert Volksschullehrerin Vicky Plangl.
Wenn die Schüler mit ihrem Fachwissen glänzen, sind sie im Glück: "Sie lassen sich nicht nur berieseln, sondern sind selbst aktiv. Sie lernen selbstständig und vernetzt denken und sich und ihr Wissen zu präsentieren", ist Teufel überzeugt. "Das ist die Basis für ein glückliches und erfolgreiches Leben."
Auch wenn am Friedrichsplatz weniger Stoff durchgenommen wird als an einer durchschnittlichen österreichischen Schule: "Was die Schüler hier lernen, das sitzt auch wirklich. Deshalb haben bis auf die Integrationskinder noch alle im Anschluss eine höhere Schule geschafft", freuen sich die Pädagoginnen.
International
"Good morning", rufen die Sechsjährigen ihrer Lehrerin entgegen. Und los geht's:
Sarah Baumgartner lässt die Buben und Mädchen auf Englisch Gegenstände zuordnen. In der International School St. Pölten, einer privaten Volksschule, gehört die Fremdsprache zum Schulalltag. Nicht nur in den dafür vorgesehenen Stunden.
Native Speaker wie Baumgartner und die Klassenlehrerinnen lernen mit den Kindern, fördern sie. Das gilt auch für Vorschüler. Sie haben den Namen "Early Learners". Höchstens 15 Schüler sitzen in einer Klasse. "Jede Lehrerin kennt jedes Kind", erklärt Direktorin Susanne Steueregger. "Unsere große Stärke ist die Kleinheit."
Die Buben und Mädchen müssen sich Inhalte in der International School auch selbst erarbeiten. "Es gibt einen Wochenplan", sagt Steueregger. Wann die Kinder die Aufgaben erledigen bleibt ihnen überlassen. Hauptsache sie sind gemacht. In der St. Pöltener Schule ist am Nachmittag einiges los. Wer will, kann die Kinder bis 17 Uhr in die Nachmittagsbetreuung geben. Im Rahmen der "INS Academy" öffnet sich diese auch für Kinder von außerhalb. Acht Kurse werden in Englisch, acht in Deutsch angeboten. Im Science Club etwa wird geforscht. In der Eprouvette schäumt es auf. Ein junger Forscher ist begeistert: "Das ist cool. "
Lehrer, Eltern und Trägerverein sind dahinter, dass Weltoffenheit gelebt wird. Das Engagement ist groß. Hans Kirchknopf arbeitet ehrenamtlich als Obmann. Die ersten Absolventen gehen übrigens bereits in die sechste Klasse Gymnasium.
Neue Medien: Lernen mit Smartphone und PC
Von den Laptop-Klassen kommen wir immer mehr weg", sagt Gerhard Scheidl, Leiter des Medienzentrums an der Pädagogischen
Hochschule Wien. Stattdessen stehen in modernen Klassenzimmern verschiedene Geräte - Smartphones, Stand-PCs, Laptops und Tablet-PCs. "Wichtig ist immer die Frage: Was will ich machen? Ein Foto bearbeiten, einen Film schneiden, oder mir Informationen holen? Schüler sollen wissen, für welchen Zweck sie welches elektronische Gerät verwenden."
Die Schüler sollen Neues produzieren. Das heißt, "sie wiederholen nicht nur den Stoff, sie kreieren selbst etwas. In herkömmlichen Laptop-Klassen saß der Lehrer hinter dem Bildschirm und alle machten das Gleiche. Jetzt produziert jeder Schüler etwas anderes", erklärt Scheidl.
Dem Lehrer kommt dabei eine wichtige Rolle zu: "Er begleitet die Schüler, er fordert sie auf, sich kritisch mit den Daten im Internet auseinanderzusetzen. Diesen Erfahrungsaustausch kann ein Schüler nicht alleine im Netz machen. Dazu braucht er Anleitung in der Schule." Nur so gelinge es, dass junge Menschen an verschiedenen Medienwelten teilhaben können - und sich auch in sozialen Netzwerken wie Facebook richtig verhalten. Die klassische Lernsoftware - z.B. zum Sprachenlernen - wird es weiter geben. "Gute Erfahrungen haben wir auch hier damit gemacht, dass Schüler Texte selber in Wort und Schrift gestalten."