Animal Hoarding: Krankhafte Sammler-Sucht nimmt zu
Von Jürgen Zahrl
Beim Betreten des Hauses fährt ein beißender Geruch in die Nase. Der Boden ist mit Kot bedeckt, alle Wände sind feucht. Und im Wohnzimmer tummeln sich Dutzende Katzen. Verwahrlost und unterernährt. "Ich bin eigentlich geruchsresistent. Aber wenn meine Augen mal zu tränen beginnen, dann ist der Gestank extrem", erzählt Erwin Schlosser. Nicht zum ersten Mal muss der Waldviertler Tierheimbetreiber aus Gastern, Bezirk Waidhofen an der Thaya, eingreifen. Immer öfter sind seine Hilfeleistungen bei Fällen von "Animal Hoarding" gefragt.
Das krankhafte Sammeln von Tieren wird zusehends zum Problem. Das bestätigen Tierschutzvereine und Tierärztekammer. Beispiele gibt es genug. Jahrelang lebte ein Mann im Raum Schwechat mit fast 200 Tauben in einem verwahrlosten Haus. Eine Rentnerin hielt in ihrem Eigenheim im Bezirk Bruck an der Leitha fast 90 Katzen. Obwohl sich die Fälle häufen, gibt es für "Animal Hoarding" in Österreich noch immer keine tierschutzrechtliche Definition und nach wie vor keine wirkliche Handhabe.
Tierheime überfordert
Allerdings ist ein Gegensteuern längst überfällig. Denn dieses Messie-Syndrom bringt auch die Tierheime an ihre Grenzen. "Ein Hoarding-Fall ist für ein einzelnes Tierheim nicht bewältigbar", sagt Nina Zinn-Zinnenburg, Obfrau des Kremser Tierschutzvereins, "das Problem ist, dass diese Tiere viel mehr Betreuung brauchen, weil sie verhaltensauffällig und oft krank sind. Sie sind auch schwerer vermittelbar."
Dass aus Tierliebe am Ende Tierquälerei wird, hängt oft mit einer psychischen Störung zusammen. "Die Besitzer sind davon überzeugt, dass es den Tieren nur bei ihnen gut geht. Sie verlieren immer mehr die Kontrolle über die Vermehrung und verwahrlosen mit ihnen. Oft fehlt für Futter und Medizin das nötige Geld, um die Tiere zu versorgen", sagt Andrea Specht, Präsidentin des nö. Tierschutzverbandes, die wie Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins, mehr Fälle wahrnimmt. Obwohl der typische Animal-Hoarder zwischen 50 und 65 Jahre alt und alleinstehend ist, sowie sozial isoliert lebt, "wollen solche Menschen das Gefühl spüren, gebraucht zu werden", erklärt Andrea Beetz, die in einer Expertengruppe der Uni Wien "Mensch-Tier-Beziehungen" erforscht.
Amtstierarzt
Wie schwierig es für Behörden oft ist, in Fällen von Animal Hoarding einzugreifen, skizziert Kurt Frühwirth, Präsident der Tierärztekammer: "Wann ist der Tatbestand von Tierquälerei gegeben, wenn sich die Besitzer um ihre Tiere kümmern?" Der Amtstierarzt müsse auch die menschliche Komponente berücksichtigen. "Sobald ein Tierhalteverbot sanktioniert wird, muss gleichzeitig ein Sozialarbeiter vor Ort sein, der sich um den Tierbesitzer kümmert", fordert Beetz, "nicht selten sind sie suizidgefährdet." Specht verlangt eine gesetzliche Obergrenze für die Anzahl betreuter Tiere: "Darüber hinaus muss eine Bewilligungspflicht gelten."
Forscher haben eine Checkliste für das Vorliegen eines echten Falls von Tierhorten ("Animal Hoarding") erarbeitet. Drei Kriterien müssen erfüllt sein, damit die Definition gilt:
Anzahl der Tiere Es werden mehr als die durchschnittliche Anzahl der Tiere in einer Wohnung gehalten. Üblich sind maximal drei Hunde, drei bis vier Katzen oder bis zu fünf Nagetiere.
Platzangebot Für das vorhandene Platzangebot leben zu viele Tiere in den Räumlichkeiten bzw. auf dem Gelände (Mindestanforderungen nach dem Bundestierschutzgesetz).
Keine Einsicht Der Tierbesitzer zeigt trotz überdurchschnittlich hoher Tierzahl und zu geringem Raumangebot keine Einsicht, dass der Tierbestand reduziert werden muss.
Wenn der hygienische Zustand der Wohnung bedenklich ist oder die Tiere unterernährt wirken, dann sind das erste Anzeichen für "Animal Hoarding", sagt Beetz.