Als Schöffin vor Gericht: Im Zweifel für den Zweifel
Von Julia Schrenk
Es war Sommer, es war unfassbar heiß. Und so wirklich glücklich, hier jetzt antanzen zu müssen, waren die wenigsten der Anwesenden.
Der eine hatte noch einen Termin, bei dem er unabkömmlich sei, ein anderer erklärte, sich demnächst drei Wochen lang auf Griechenland-Urlaub zu begeben. Und deshalb würde es schwierig werden, bei den Prozessterminen in Wien anwesend zu sein.
Im Juli 2017 wurde ich als Schöffin vor den Saal 203 des Wiener Straflandesgerichts geladen. Ich wusste nicht, worum es geht, ich wusste nicht, was mir dort blüht. Was ich wusste, war, dass ich das jedenfalls machen werde. Persönlichkeitsbildung ist nie schlecht.
Nicht einmal die Hälfte der Schöffen kam
Von den ungefähr zehn geladenen und möglichen Schöffen blieben am Ende vier übrig. Zwei Haupt- und zwei Ersatz-Schöffen. Ich wurde eine Haupt-Schöffin – unter Richterin und Ex-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner. Gegenstand unseres Verfahrens war ein Drogendelikt. Es ging um eine große Menge Speed, einen verdeckten Ermittler und einen Verbindungsmann. Die Aufgabe des Drei-Richter-Senats war es, herauszufinden, ob der Hauptangeklagte zur Tat angestiftet wurde oder nicht. Strafrahmen: bis zu zehn Jahre Gefängnis.
Das ist nicht wenig.
Als Schöffin vor Gericht zu sitzen, ist anstrengend – geistig. Nicht nur, weil die Angeklagten einmal wenig antworten, einmal gar nicht, einmal ganz unverständlich. Nicht nur, weil die Verteidiger – in meinem Fallen waren das die bekannten Strafverteidiger Mirsad Musliu und Philipp Wolm – rhetorisch alle Tricks ziehen.
Schöffin zu sein ist auch – um nicht zu sagen: vor allem – emotional anstrengend. Am Ende des Prozesses, in meinem Fall war das nach vier Prozesstagen, traut man sich zwar vielleicht zu, zu sagen: Da ist einer schuldig. Oder: Da hat einer wohl nicht die ganze Wahrheit gesagt.
Aber über Schuld und Unschuld zu urteilen, ist zu wenig. Schöffen beschließen gemeinsam mit der Richterin oder dem Richter das Strafausmaß. Man bestimmt mit, wer wie lange ins Gefängnis muss. Das muss man verantworten können – bei der Urteilsverkündung vor den Angeklagten. Und auch vor sich selbst. Es heißt Im Zweifel für den Angeklagten – aber es empfiehlt sich, auch Im Zweifel für den Zweifel zu sein – den eigenen nämlich.