Chronik/Österreich

Agrarexperte: "Der Wolf ist kein harmloses Tier"

Die Rückkehr von Braunbär, Luchs und Wolf sorgt für Konflikte mit der Landwirtschaft. In Salzburg setzt der Wolf den Almbauern zu. Im Vorjahr hat das Land in mehr als 100 Fällen entschädigt. Vor drei Wochen sind mehrere Jungtiere auf einer Alm im Pinzgau gerissen worden. Agrarreferent Josef Schwaiger (ÖVP) meint, der strenge Schutz des Wolfes sei zumindest in den Ostalpen nicht unumstößlich.

KURIER: Sie haben „wolfsfreie Gebiete“ auf Salzburgs Almen in den Raum geworfen – warum?
Josef Schwaiger: Eine Einschätzung der KOST (Koordinierungsstelle für Braunbär, Luchs und Wolf) lautet, dass in Österreich 39 Rudel Platz hätten. Da kann man sich ausrechnen, wie viele Tiere das wären. Ich fordere eine Diskussion, in der die am meisten Betroffenen – die Almbauern – mit drinnen sind. Wir haben derzeit in Salzburg 275 Almen mit 20.000 Schafen und einer Reihe von gefährdeten Rassen. Die Bauern wollen die Tiere nicht mehr auftreiben, wenn der Wolf da ist.

Sie haben gemeint, Wölfe könnten betäubt werden. Was soll dann mit den Tieren passieren?
Ich wäre für Umsiedlungen, für Zonen, in denen wir keine Wölfe haben. Ich glaube nicht, dass der gesamte Alpenbogen – insbesondere die Ostalpen – flächendeckend geeignet ist, um diese Wolfspopulation aufzunehmen. Da würde sich die Almwirtschaft massiv verändern.

Der Wolf ist aber streng geschützt. Ihr Vorschlag wäre ein Bruch von EU-Recht. Wie wollen Sie sich als Lokalpolitiker in Brüssel Gehör verschaffen?
Ich habe nie gesagt, dass ich nach Brüssel hinauffahre und sage, wie die Welt wirklich funktioniert. Es gibt eine grenzübergreifende Arbeitsgemeinschaft von Almbauern. Da müssen wir einen ordentlichen Diskurs mit Organisationen wie dem WWF und den landwirtschaftlichen Ostalpen-Vertretern führen. Wenn man sich auf einen Kompromiss einigt, glaube ich, dass es in der Fauna-Flora-Habitat-Richtline (darin ist der Schutz des Wolfs geregelt) nicht auf Dauer so sein muss. Das ist nicht unumstößlich.

Wie kommen Sie darauf?
Ich war vor Kurzem in Südtirol. Da hat es ja die Bären-Einbürgerung gegeben – und alle waren dafür. Dann ist es zu einem Unfall gekommen, wo jemand durch einen Bärenangriff schwer an der Hand verletzt wurde. Innerhalb von wenigen Stunden ist die Stimmung auf die andere Seite umgeschlagen. Und dass der Wolf ein völlig harmloses Tier ist, das den Menschen niemals angreifen würde, – das weiß man – stimmt nicht.

Sie meinen, der Wolf habe in der „vom Menschen geprägten Kulturlandschaft“ keinen Platz. Eigentlich holt er sich doch nur jenen Lebensraum zurück, den ihm der Mensch genommen hat.
Ja, das stimmt schon. Der Wolf war einmal da. Aber vor 200 Jahren war vieles anders. Ich glaube nicht, dass der heutige Einwohner unseres zersiedelten Raumes die Verhältnisse von früher haben will. Wenn wir alles zurückzuholen, was wir schon gehabt haben, müssten wir die Pest auch wieder zurückholen.

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Warum fördert das Land nicht offensiver Herdenschutz-Maßnahmen? In Osttirol unterstützt das Landwirtschaftsministerium einen Versuch mit Hunden.
Weil die Akzeptanz unter den Landwirten gegen null geht. Ich habe alles probiert. Wir haben eine erhebliche Menge Geld zur Verfügung gestellt für ein Pilotprojekt im Lungau, wo wir eingezäunt haben. Die Erfolge in Osttirol sind auch nicht so, dass man sagen kann, wir übertragen das jetzt auf das ganze Land. Außerdem könnten die Hunde zu Konflikten mit Wanderern oder Mountainbikern führen: Sie reagieren auf Menschen genauso aggressiv wie auf ein Raubtier, wenn sie die Herde gefährdet sehen.

Haben Sie darüber nachgedacht, die Zahlungen für gerissene Nutztiere zu erhöhen, wenn sich die Schäden mehren?
Momentan ist das noch einigermaßen übersichtlich – weil wir noch keine Rudel haben. Es gibt überhaupt keine Kritik an der Höhe der Entschädigungen (110 Euro für ein Lamm, 220 Euro für ein Schaf). Ein Bauer tut das nicht nur wegen des Geldes. Dafür braucht er nicht 100 Schafe auf die Alm zu tun. Da geht es um den Anspruch, eine Kulturlandschaft zu erhalten. Ich verstehe auch nicht, dass niemand daran denkt, was mit den Tieren passiert. Die werden ja nicht aufgefressen. Der Wolf tut das nicht nur, weil er Hunger hat. Dann hätte er mit einem genug. Er macht das mit fünf, mit sechs, mit sieben, mit acht – wie der Fuchs im Hühnerstall. Die sind nicht gleich tot, das ist kein Genickbiss, das ist ein Verrecken. Das wollen die Bauern nicht mitmachen.

Wie groß ist mittlerweile der Druck Ihrer Klientel, der Bauernschaft, auf Sie?
Der Druck ist seit dem letzten Jahr hoch. Aber ich habe ihnen gesagt, ich habe kein Rezept. Ich bin nicht der klassisch bäuerliche Vertreter, da gibt es Authentischere als mich. Das Thema ist komplex. „Biertisch-Lösungen“ und Populismus haben da keinen Platz.