174 Mal Mordalarm: Das kann die Polizei daraus lernen
Von Michael Pekovics
119 versuchte und 55 vollendete Tötungsdelikte passierten von Jänner 2018 bis Ende Jänner 2019 in Österreich. Eine Screening-Gruppe des Innenministeriums hat diese Fälle aufgerollt und genau analysiert.
Das Ziel war es, Muster abzuleiten und Gefährdungsszenarien zu ermitteln, um daraus Präventionsmaßnahmen abzuleiten. Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag dabei auf weibliche Opfer.
In 92 Prozent kannten sich Täter und Opfer
Denn von den 55 Ermordeten waren 66 Prozent Frauen. In 92 Prozent der vollendeten Tötungsdelikten kannten Opfer und Täter einander, 54 Prozent waren miteinander verwandt oder zumindest bekannt und 38 Prozent lebten in einer Intimbeziehung beziehungsweise in Trennung einer solchen.
Bei Morden im Rahmen einer Beziehung waren alle Opfer weiblich, die Täter waren zu 50 Prozent fremde Staatsbürger. In rund der Hälfte dieser Fälle war die Beziehung zum Tatzeitpunkt beendet.
Erhöhtes Risikopotenzial entsteht durch Trennung oder den Willen dazu - das war in 46 Prozent der Tötungen mit Beziehungshintergrund der Fall. Weitere Faktoren sind Arbeitslosigkeit oder Frühpensionierung (48 Prozent) sowie Alkohol- oder Drogenmissbrauch (30 Prozent).
In 44 Prozent dieser Fälle wurde bereits vor der Tat ein Betretungsverbot verhängt, in 16 Prozent sogar mehrmals.
Auffallend: Bei beinahe 6 von 10 versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten kam eine Stichwaffe zum Einsatz, meist ein Küchenmesser.
So sollen Morde verhindert werden
Basierend auf den Erkenntnissen der Screening-Gruppe wurden Empfehlungen für drei Themengebiete formuliert. Bei der Gefährdungserkennung sollen ein Risikoeinschätzungstool sowie ein Leitfaden für Vernehmungen wegen Gewalt in der Partnerschaft eingeführt werden. In den Bezirkspolizeikommanden sollen eigene Kompetenzteams eingerichtet werden.
Für eine bessere Vernetzung sollen die Leserechte im polizeiinternen Programm zum Protokollieren von Anzeigen und Berichten erweitert werden. Außerdem wird eine zentrale Evaluierungsstelle für Tötungsdelikte und eine verbesserte Gewaltschutzdatei angeregt. Ein weiterer Vorschlag ist die einheitliche, behördenübergreifende Erfassung von Morddelikten.
Außerdem empfiehlt die Screening-Gruppe die Ausweitung der Gefährderansprachen sowie verpflichtende therapeutische Anti-Aggressionstrainings und soziale Kompetenztrainings nach Betretungsverboten.
Maßnahmen im Gewaltschutzgesetz
Einige Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des Gewaltschutzgesetz 2019 umgesetzt, wie Innenminister Wolfgang Peschorn betonte. Etwa die Gefährderberatung mit verpflichtender Gewaltpräventionsberatung oder das Projekt "Under 18", das Kinder und Jugendliche als Zielgruppe hat.