Chronik/Oberösterreich

Zwei Männer, eine Vision: „Gehen, wo noch keiner war“

Wir wollen dorthin gehen, wo noch keiner war“, erklären Chris Müller und Hans-Joachim Frey. Beide haben Anfang 2012 neue Jobs in Linz angenommen – Müller als künstlerischer Leiter der Tabakfabrik, Frey als Chef des Brucknerhauses. „Ich bewundere, wie er mit einer solchen Spielfreude und völlig ohne Ballast nach Linz gekommen ist und Impulse setzt“, streut Müller seinem Kollegen Rosen. „Und mir gefällt das geniale Gesamtkonzept der Tabakfabrik. Es bietet enorme Möglichkeiten“, gibt Frey zurück.

Die ersten Früchte trägt diese Freundschaft im Rahmen des Brucknerfestes von 15. September bis 6. Oktober: Die Tabakfabrik wird als Nebenschauplatz des internationalen Mehrspartenfestivals geadelt.

Und ja, zugegeben, die beiden Männer verbindet nicht nur Pioniergeist, sondern auch eine finanzielle Komponente: „Wie wir wissen, ist die Finanzlage der Stadt Linz angespannt. Das wirkt sich natürlich auf das Kulturbudget aus.“ Und Müller fügt idealistisch hinzu: „Not macht erfinderisch.“

Kulturpolitisch

In der Tabakfabrik findet ein „Festival im Festival“ statt – ein „kulturpolitischer Dreiklang“, wenn man so will, erklärt Frey. Die „entartete Oper“ des jüdisch-österreichischen Komponisten Franz Scheker, „Der Schatzgräber“, gibt die Richtung vor. Weiter geht es bei einem Gastspiel der Moskauer Kammeroper Boris Pokrowski mit vier Opern. „Die Idee dahinter ist eine Versöhnung mit Russland. Während sie in der Nachkriegszeit Urfahr besetzt haben, sind die Russen jetzt auf der anderen Seite der Donau, im Brucknerhaus“, hakt Müller ein.

Der dritte Teil wird „Spiegelgrund“ von Peter Androsch – eine Oper, die ein dunkles Kapitel Österreichs im Nationalsozialismus aufschlägt. Zwischen 1940 und 1945 wurden „Am Spiegelgrund“ in einer Pflegeanstalt in Wien 800 behinderte Kinder und Jugendliche getötet.

Dass ausgerechnet ein Deutscher (Frey kommt aus Dresden, Anm.) dieses kulturpolitische Programm im Wagner-Jahr aufstellt, sei ein starkes Zeichen, sagt Müller: „Wenn die Kunst mehr in politischen Fragen zu Wort käme, gäbe es weniger Kriege.“

45 Veranstaltungen in drei Wochen – der KURIER hat einige Highlights herausgepickt:

Auftakt
Mit der Premiere von „Der Schatzgräber“ mit dem Israel Chamber Orchestra fällt am Freitag, 12. September, um 19 Uhr in der Tabakfabrik der Startschuss für das Internationale Brucknerfest. Am Freitag wird dort die Ausstellung „Entartete Musik“ eröffnet. Das Projekt „Kunst Bruck’n“ von Studenten der Kunst-Universität in Linz wird am Samstag eingeweiht. Die Installation verbindet die Spielhäuser Tabakfabrik und Brucknerhaus miteinander.

Eröffnung
Die feierliche Eröffnung nimmt Bundespräsident Heinz Fischer am Sonntag, 15. September, vor. Festrednerin ist Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak. Das Eröffnungskonzert findet um 19 Uhr statt.

Competizione dell’Opera
120 junge Sänger treten beim Internationalen Gesangswettbewerb der italienischen Oper „Competizione dell’Opera“ in Linz an. Die erste Runde ist am 22. September um 11 Uhr, die zweite am 24.

Ring an einem Abend
Wer Wagner liebt, ihn aber nicht versteht, dem dürfte bei „Ring an einem Abend“ mit Texten von Loriot geholfen werden. Die Veranstaltung mit Burgtheaterschauspieler Gert Voss am 22. September um 17 Uhr ist eine Aufwärmübung für die Ring-Tetralogie ab Herbst im Musiktheater.

Armin Müller-Stahl
Als Musiker und Maler präsentiert sich Schauspieler Armin Müller-Stahl zwei Tage lang in Linz. Am 30. September beim Konzertabend „Es gibt Tage ...“ und am 1. Oktober bei der Ausstellung „Menschenbilder – Künstlerbilder“, für die er Anton Bruckner porträtiert hat.

Innovatives Operntheater
Zum „Festival im Festival“ in der Tabakfabrik gehört neben „Der Schatzgräber“ von Franz Schreker auch ein Gesamtgastspiel der Moskauer Kammeroper Boris Pokrowski und die Erstaufführung von Peter AndroschsSpiegelgrund“ am 2. Oktober.

Ausklang
Das Ende des Brucknerfests markiert traditionell das Festkonzert in der Stiftsbasilika St. Florian am 6. Oktober um 18 Uhr. Das Bruckner Orchester mit Dirigent Dennis Russell Davies präsentiert Anton Bruckners 6. Symphonie in A-Dur.

Nachklang
Mit einem Konzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden am 24. Oktober um 19.30 Uhr gibt es einen letzten Nachklang.

www.brucknerfest.at