Chronik/Oberösterreich

Überlaufener Attersee: „So kann es nicht mehr weitergehen“

von Gerhard Marschall

Eine Autolawine wälzt sich an den Wochenenden von rundum Richtung Salzkammergut, voran an den Attersee. Die Konsequenzen: Warteschlangen vor den Kassen, Kampf um Liegeplätze, überfüllte Parkplätze, verparkte Hauszufahrten, gestresste Gäste, genervte Einheimische. Wenn dann auch noch alle zur gleichen Zeit aufbrechen, weil Gewitterwolken aufziehen, kommt es am Ende des Badetages zu kilometerlangen Staus.

Verschärft durch Corona

Corona hat die Situation noch verschärft. Weil Urlaube am Meer nur schwer möglich sind, wird die Sehnsucht nach Sonne und Wasser an den heimischen Seen gestillt, wegen der Abstandsregeln sind die Badeplätze jedoch limitiert. Zahlen, wie viele Menschen an Spitzentagen einfallen, gibt es nicht. „Aber es wird deutlich mehr“, sagt der Bürgermeister von Attersee, Walter Kastinger (SPÖ). „So kann es nicht mehr weitergehen“, warnt Steinbachs Bürgermeisterin Nicole Eder (ÖVP) vor dem Kollaps. „Wir verstehen, dass jeder zum See will. Aber wir stoßen an die Grenzen.“ Es müsse alles in geregelten Bahnen verlaufen, sagt Eder, und hat einen Vergleich parat: „Wenn ein Flugzeug voll ist, kann man auch nicht mitfliegen.“ Das müsse auch dann gelten, „wenn der See übergeht“.

Bädercard soll helfen

Überlegungen, wie das Chaos entschärft werden könnte, gibt es seit Längerem. Ein erster Schritt in diese Richtung soll die nun digitalisierte „Attersee-Bädercard“ sein. Das Projekt der LEADER-Region REGATTA vernetzt sieben Strandbäder mit einem digitalen Eintritts- und Kontrollsystem samt einheitlicher Preisgestaltung. Landesrat Max Hiegelsberger (ÖVP) sieht mehrere Vorteile: bessere Planbarkeit für die Bäderbetreiber, mehr Kundenfreundlichkeit, aktive Besucherlenkungen, nicht zuletzt Verringerung des Verkehrs.

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Bürgermeister Klaus Gerzer (SPÖ) aus Weyregg erhofft sich mehr Einheitlichkeit in der Region, die er bisher vermisst habe. Vor allem das Land sei bei den Eintrittspreisen oft auf der Bremse gestanden. „Aber das ganze Problem ist mit der Bädercard nicht gelöst, vor allem nicht im Verkehr“, fügt Gerzer hinzu. Denn an gewissen Tagen kämen doppelt so viele Autos, wie Parkplätze zur Verfügung stehen.

Leitsystem muss her

„Wir haben die Akzeptanzgrenze am Wochenende schon längst erreicht“, sagt Bürgermeister Georg Baumann (ÖVP) aus Unterach. „Wir brauchen eine Parkraumbewirtschaftung und ein Leitsystem.“ Genau das ist in einer nächsten digitalen Stufe geplant. So soll eine App eingerichtet werden, die Informationen über die Situation am Attersee – Auslastung der Bäder, Staus, freie Parkplätze – liefert. Tagesgäste sollen schon vor dem Wegfahren wissen, wo noch Platz ist und wo nicht.

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Auch über Parkplätze in Autobahnnähe samt Shuttle-Dienst wird nachgedacht. Dazu bräuchte es aber ein Umdenken der Badegäste, nicht mit Sack und Pack anzureisen. „Schwer umsetzbar, aber wünschenswert“, sagt dazu Walter Kastinger aus Attersee. „Vielleicht macht es Sinn, nicht mehr Parkplätze anzubieten, sondern eher einzubremsen“, argumentiert Klaus Gerzer aus Weyregg. Er möchte für das Fahrrad und für den öffentlichen Verkehr werben. Deshalb soll bei der anstehenden Sanierung des Strandbades eine Ladestation für E-Bikes installiert werden, plus Mietkästchen für Badeutensilien.

Mehr Betten

Unterachs Bürgermeister Baumann sieht neben alldem ein grundsätzliches Problem in der Gästestruktur. Er möchte deshalb „ehrliche Hotelprojekte“ forcieren. „Wir brauchen mehr Betten, damit der Gast länger bleibt, Wertschöpfung im Ort bleibt und Verkehr reduziert wird.“ Zudem wäre die örtliche Gastronomie nicht mehr so stark vom Tagestourismus abhängig. Mehr öffentliche Seezugänge zu schaffen wird einhellig nicht als Lösung des Problems gesehen. Zum einen würde dadurch das Verkehrsproblem nur verschärft, zum anderen könne das bei Quadratmeterpreisen von bis zu 4.000 € nicht aus Steuergeldern finanziert werden. Laut Kastinger sollte die Anzahl der zugänglichen Plätze zumindest gleich bleiben und nicht weniger werden. Dieser Wunsch richtet sich vor allem an die privatwirtschaftlich agierenden Bundesforste. „Da sollte die Politik einwirken.“

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„Der See ist für alle da“, erklärt Bürgermeisterin Eder aus Steinbach, knüpft daran aber einen Wunsch: „Es wäre schön, wenn alle wertschätzend mit diesem kostbaren Gut umgehen würden.“ Doch das sei bei Weitem nicht immer der Fall, was sich etwa am Abend am erschreckenden Zustand der öffentlichen Toiletten zeige. „Der Egoismus wird immer größer“, ergänzt Kollege Baumann aus Unterach. Darum werde es immer schwieriger, den Gäste-Wünschen nachzukommen. „Wir leben zwölf Monate hier“, sagt Baumann. Im Sinne der Lebensqualität der Einheimischen denkt er über den Tag hinaus: „Es muss so weit kommen, dass man den Individualverkehr am Anfang der Seezufahrten abfangen muss.“