„Technik wichtiger als Medizin-Uni“
Von Josef Ertl
Rudolf Trauner (58) ist Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich. Er besuchte diese Woche mit einer Delegation die US-amerikanischen Städte Chicago und Washington.
KURIER: Was hat Sie bei dieser USA-Reise beeindruckt?
Rudolf Trauner: Amerika ist für uns ein Land mit riesigen Chancen. Unser Exportwachstum in die USA beträgt 13 Prozent. Unsere Chancen sind hier voll intakt. Natürlich herrscht in den Staaten eine andere Kultur und ein anderer Zugang zur Wirtschaft. Die Potenziale für unsere Firmen sind aber sehr groß.
Der Anteil der Personalkosten an den Produktionskosten ist ist in den USA von 1971 bis heute von 50 auf 25 Prozent gefallen. Das ist eine deutliche Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.
Das stimmt. Die Systeme Europas sind deutlich unterschiedlich zu dem der USA. Ich muss zugeben, mir ist das europäische lieber. Es ist wichtig, dass die Menschen sozial- und rentenversichert sind. In den USA wird der Krankenstand vom Urlaub abgezogen. Das ist nicht der richtige Weg. Es soll aber ein Fingerzeig sein, dass bei uns manchmal Ansprüche erhoben werden, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährden. Dazu gehören Forderungen nach einer Reduzierung der Arbeitszeit und gleichzeitiger Erhöhung der Löhne.
Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine, sagt zum Beispiel, dass wir bei den Kosten am Plafond angelangt sind, weil wir unsere Wettbewerbsfähigkeit gefährden.
Wenn der Generaldirektor der voestalpine das sagt, muss uns das zu denken geben, denn dieses Unternehmen ist eines unserer Flaggschiffe. Wir sind auch deshalb gut aufgestellt, weil wir eine Balance zwischen Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben haben. Die Umweltzertifikate sind unfinanzierbar. Wenn wir die Steuern und Lohnnebenkosten noch einmal erhöhen, geht das in die falsche Richtung.
Wir erleben einen Einbruch bei unseren Exporten nach Italien. Können wir diesen wettmachen?
Italien ist für uns nach Deutschland das zweitwichtigste Exportland. Der Einbruch beträgt sieben Prozent. Wir müssen ihn durch Exporte außerhalb Europas kompensieren. Wir können die Wirtschaftsschwäche in Europa nur wettmachen, wenn wir auf die Märkte der Welt gehen. Die Chancen liegen in den USA, in Asien, in Russland und Afrika. Wir erwirtschaften 60 Prozent unseres Wohlstands im Export. Wir hängen von unserer Wettbewerbsfähigkeit ab. Ein Drittel unserer Exporte geht nach Deutschland, was auch eine Brücke in die Welt ist. Wenn wir Motoren für BMW liefern, gehen diese Autos in die ganze Welt.
Es fällt auf, dass die erfolgreichen Wachstumsstaaten in Asien das amerikanische Wirtschaftsmodell übernehmen und nicht das europäische. Obwohl es wegen der Sozialleistungen attraktiver sein müsste.
Ich sehe das nicht so. Denn wenn ich mir die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA anschaue, dann sind sie ein Vielfaches von dem, was zwischen Asien und Amerika stattfindet. Es sind auch die gegenseitigen Direktinvestitionen um einiges stärker. Asien orientiert sich stark an Amerika. Ich bin aber überzeugt, dass auch die Menschen in Asien höhere Löhne und eine bessere soziale Absicherung haben wollen. Auf Dauer wird sich das europäische Modell weltweit durchsetzen.
Europa wird heuer zwischen null und einem Prozent Wachstum verzeichnen. Das ist aber für die Erhaltung des Wohlfahrtsstaates zu wenig. Wirtschaftsforscher Karl Aiginger spricht von drei Prozent Wachstum, die dafür notwendig sind. Wir werden wohl diese drei Prozent in den nächsten Jahren nicht erreichen, oder?
Wir müssen diese drei Prozent anstreben. Wir haben in Oberösterreich viereinhalb Prozent im vergangenen Jahr gehabt, heuer wird es auf ein Prozent hinauslaufen. Es gibt momentan eine Abschwächung, die ich aber nicht dramatisieren will. Wir sind derzeit in allen Bereichen im Plus. Wir müssen das Wachstum und den Ressourcenverbrauch voneinander entkoppeln. Das Erreichen der drei Prozent muss ein Hauptziel von Wirtschaft und Politik sein.
Was muss Europa im Wettbewerb mit den USA tun?
Wir brauchen auf jeden Fall europäische Rating-Agenturen. Es hat sich in der Vergangenheit als sehr problematisch erweisen, dass amerikanische Agenturen Österreich dargestellt haben, als würde unser Land knapp vor der Pleite stehen.
Ein großes Problem ist derzeit die europäische Bankenaufsicht. Es soll in Zukunft drei verschiedene Aufsichten geben. Das ist mit hohen Kosten verbunden, für die die Kunden letztendlich aufkommen müssen. Es wird die Situation nicht verbessern. Eine europäische Aufsicht ist wichtig, die sich der bestehenden Aufsicht durch die Nationalbanken bedient.
Ähnlich wie Österreich sind auch die USA vom Fachkräftemangel betroffen. Wie ist dieses Problem zu bewältigen?
Das Bildungssystem sollte sich am Bedarf der Wirtschaft orientieren. Es ist nicht nur für die Wirtschaft da, es darf aber auch nicht an der Wirtschaft vorbeiproduzieren. Das ist momentan leider oft der Fall. Das Land Oberösterreich und die Wirtschaftskammer erstellen momentan eine Potenzialanalyse, welche Talente da sind und was der Arbeitsmarkt anbietet. Wir müssen mehr informieren und aufklären. Es gibt bei uns 200 Lehrberufe, aber 40 Prozent der Mädchen machen ihre Lehre in den drei Jobs Friseurin, Verkäuferin und Bürolehrkraft. 50 Prozent der Burschen sind in zehn Lehrberufen tätig. Damit haben wir das Problem, dass wir in den hochtechnischen Berufen zu wenige Mitarbeiter haben. Es geht auch um die Ausbildung in den HTL und in den Fachhochschulen. Es wurden in Oberösterreich in den vergangenen Jahren fünf neue HTL gebaut.
Wir brauchen auf jeden Fall mehr Fachhochschulstudiengänge. Vor allem in den technischen Bereichen. Wir haben leider auch zu wenig Studenten. Hier und bei der Universität müssen wir auf jeden Fall etwas tun. Die Uni Linz hat zwar ausgebaut, aber es ist immer noch viel zu wenig geschehen. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen muss noch stärker werden.
Ist der Ausbau der Universität wichtiger als die für Linz geforderte Medizin-Universität?
Die Technik darf unter der Medizin-Universität nicht leiden. Eine Hochschule für Medizin ist ein Zusatzangebot, das notwendig ist, auch im Bereich der Medizintechnik. Aber das andere darf nicht zurückgedrängt werden. Die Priorität der Wirtschaft liegt bei den Fachhochschulstudiengängen und im Bereich der technischen Universität.