"Oma zu töten, war einfacher"
Von Jürgen Pachner
Mit Spannung wurde am Mittwoch im Mordfall Taufkirchen die Aussage eines Überraschungszeugen erwartet. Dieser hatte sich erst nach Prozessauftakt im Landesgericht Ried bei der Polizei gemeldet. Der Mann behauptet, am 11. September 2012 gehört zu haben, wie Leopold D. seinem Enkel Lukas erklärte, dass die Oma wegmüsse.
Am 26. Oktober des Vorjahres wurde Renate D. in ihrem Haus mit Axthieben und Messerstichen getötet. Ihr Enkel gab zu, die Tat verübt zu haben. Allerdings fehlten bisher handfeste Beweise, dass der 72-jährige Großvater den 19-Jährigen zu diesem Mord angestiftet habe. Lediglich Lukas Aussagen sowie Indizien belasten den pensionierten Hauptschuldirektor.
Schanigarten
Der Aussage des Zeugen Heinrich W. kam daher große Bedeutung zu. Den Verhandlungssaal in Ried betrat ein auf seinen Rollator angewiesener 70-Jähriger, der in einem Alten- und Pflegeheim lebt. „Ich bin damals auf dem Hauptplatz in Schärding allein am Tisch eines Schanigartens gesessen. Zirka drei Meter von mir entfernt hat ein etwa 60-jähriger Mann mit seinem Sohn, wie ich mir damals noch gedacht habe, Platz genommen“, sagte W.
Mittlerweile wisse er natürlich, dass es sich dabei um Opa und Enkel gehandelt habe. Er habe Teile ihres Gesprächs mitgehört – dabei sei auch der Satz „Mit der Oma müssen wir was machen, die gehört weg“ gefallen. Er habe sich zunächst nicht viel dabei gedacht: „Ich bin davon ausgegangen, dass die Oma wahrscheinlich ins Altersheim soll.“
Dass der Satz aber auch eine andere Bedeutung gehabt haben könnte, darauf sei er erst Wochen später gekommen. „Als im Fernsehen über den Mord berichtet worden ist und die Verdächtigen kurz zu sehen waren, hab’ ich mir gedacht, den Mann kenne ich“, erzählte W. Er habe damals auch seiner Pflegerin davon berichtet. Ihrer Aufforderung, seine Beobachtungen der Exekutive zu melden, sei er nicht nachgekommen. „Jetzt hat mich aber ein Freund überredet, zur Polizei zu gehen.“
Allerdings, was seiner Aussage widerspricht: Den Angeklagten Leopold D. hatte er bei einer Gegenüberstellung nicht hundertprozentig identifizieren können. „Aber Frau Rat, was ist schon hundertprozentig?“, rechtfertigte sich W. Der Großvater dürfte für den 11. September jedoch ein wasserdichtes Alibi haben: Er befand sich zu der Zeit mit Ehefrau Renate auf einer dreitägigen Gruppenreise in der Wachau.
Gutachten
Am Nachmittag präsentierte dann Psychiaterin Adelheid Kastner ihr Gutachten. Sie diagnostizierte bei beiden Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung.
Lukas S. sei der Überzeugung, besonders begabt zu sein und habe ein Bedürfnis nach Bewunderung sowie einen eklatanten Mangel an Empathie. Seine Schilderungen seien glaubhaft. Ein ureigenes Tatmotiv, die Oma zu töten, sei nicht erkennbar, das Vermeiden von Konflikten bei ihm aber extrem ausgeprägt: „Für ihn war es offenbar einfacher, die Großmutter zu töten, als weiter mit der Drucksituation durch den Opa – und mögliche, für ihn negative Konsequenzen daraus – leben zu müssen.“