Chronik/Oberösterreich

„Neue Digital-Universität kann einmalig in der Welt sein“

Bruno Buchberger ist Mathematiker. Der 78-Jährige war Professor für Computer-Mathematik an der Johannes Kepler Universität, er gründete das Forschungsinstitut für Symbolisches Rechnen und den Softwarepark Hagenberg. Seine Theorie der Gröbnerbasen, die er mit 23 Jahren erfand, dürfte das international am meisten zitierte österreichische Forschungsergebnis im Bereich der Computer-Mathematik sein.

KURIER: Sie sind der Einzige, der ein inhaltliches Konzept für die neue Digitaluniversität in Linz vorgelegt hat, Wissenschaftsminister Heinz Faßmann hat Sie in der Präsentationspressekonferenz positiv erwähnt. Dennoch sind Sie nicht in der Vorbereitungsgruppe. Wie geht es Ihnen damit?

Bruno Buchberger: Leidenschaftslos. Ich leiste meinen Beitrag für Österreich so, wie ich das schon öfter gemacht habe. Manches geht auf, manches nicht. Ich finde die Idee von Kanzler Kurz großartig. Es braucht oft Menschen von außen, vor allem junge Leute, die sich trauen, etwas einmal ganz quer zu sagen. Diese Universität ist eine Superchance für Oberösterreich, für Österreich und die Welt. Das kann eine Sache sein, die einmalig in der Welt ist, wenn man es ordentlich macht. Es ist mir völlig klar, wie man so etwas machen müsste.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte müsste die neue Universität haben?

Sie sollte nicht durch einen bestimmten inhaltlichen Schwerpunkt definiert werden, nicht einmal durch die Bezeichnung „technisch“. Wie der Begriff Universität schon sagt, muss der Inhalt „universell“ (umfassend) sein. Die Digitalisierung ist ein umfassendes Gebiet, das nie einen Abschluss haben wird. Im innersten Kern ist es die Automatisierung des Denkprozesses. Sie prägte das 20. Jahrhundert und wird noch prägender für das 21. Jahrhundert sein. Der Mensch hat sein eigenes Denken so durchschaut, dass er es immer größer und weiter automatisieren kann. Das ist der Grundgedanke der Computerei. Diese hat keine Grenzen, weder in der Breite der Anwendungen noch in der Tiefe oder Höhe der Grundlagen. Jeder inhaltliche Schwerpunkt ist einschränkend, weil er in fünf Jahren schon wieder out sein kann. Security oder AI 4.0 (künstliche Intelligenz, Anm.) sind jeweils nur einzelne Aspekte.

Was soll unterrichtet und geforscht werden? Mathematik, Statistik?

Die Computerei. Im innersten Kern ist es Logik, Mathematik, alles, was mit Algorithmen (computerausführbare Methoden) zu tun hat, mit Hardware, mit Software, und mit allen immer neuen Anwendungen. Von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung zu den Technologien und Anwendungen. Es ist ganz wichtig, dass man sich nicht auf eine Ebene einschränkt. Man darf auf die Grundlagenforschung nicht verzichten, und sagen, das machen „die Amerikaner“, das wäre ein großer Fehler. Denn die Computerei ist ein Gebiet, auf dem ein sehr kleines Land, auf dem man sogar als Einzelperson die Welt niederreißen kann. Was man in vielen anderen Gebieten nicht kann. Die Professoren müssen aber auch die Offenheit haben, dass sie mit Firmen angewandte Projekte machen können und wollen. Deshalb braucht es eine neue Art von Professoren, die die Tiefe der Grundlagen mit der Breite der Anwendung verbinden können. Sie müssen sich auch verantwortlich fühlen, dass Studenten aus der ganzen Welt an die Universität kommen. Die guten Studenten kommen nicht von selbst.

Sie schlagen vor, die Universität Kurt-Gödel-University zu benennen. Warum gerade nach Kurt Gödel (1906–1978)?

Er ist nach meiner Ansicht einer der bedeutendsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Er hat im Alter von 23 Jahren an der Universität Wien das Grundprinzip des Computers, das, was man heute universelle Programmiersprachen nennt, als Erster grundgelegt, im größten Detail. Er hat bewiesen, dass sein Logiksystem eine universelle Sprache ist, in der man jeden Algorithmus ausdrücken kann. Das war 1930. Ein Jahr später hat er schon darüber nachgedacht, wo die Grenzen dieses noch nicht definierten neuen Gebietes sein werden. Er hat bewiesen, dass es zu jeder Ebene der algorithmischen Intelligenz eine darüber liegende Ebene gibt. Diese Pyramide hat nach oben beweisbar keine Grenze. Er fand das heraus, zehn Jahre bevor der erste Computer technisch realisiert worden ist.

Dieses Beispiel zeigt, dass ein junger Mensch mit der richtigen Ausbildung und klarer Denkkraft ungeheuer viel leisten kann. Er ist ein Österreicher mit einem typisch österreichischen Schicksal. Er ging 1940 in die USA und hat dort größte Anerkennung gefunden. Ich finde in ihm viele der radikalen Ideen, die ich auch für die neue Universität sehe.

Die Kurt-Gödel-University wäre auch ein schönes Pendant zur Johannes-Kepler-Universität. Kepler steht für die gesamten Naturwissenschaften, Gödel für die Denktechnologie.

Sie plädieren für einen standortspezifischen Lebensstil an der neuen Universität. Schwebt Ihnen hier eine Art College vor?

Nein, hier geht es nicht um Colleges. Was ich meine ist, dass erstens die Internationalität im Vordergrund stehen sollte. Die große Mehrheit der Studenten sollte international sein, nicht zehn Prozent wie heute in Österreich typisch. Das gilt auch für die Professoren. Wenn das so sein sollte, muss man zunächst innerhalb der Universität einen Lebensstil bieten, der so attraktiv, jugendlich, international, kreativ, innovativ und vibrierend ist, dass man die jungen Leute aus der ganzen Welt hierher bekommt.

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Aber die Erfindung eines innovativen Lebensstils ist zweitens auch ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, bei dem die neue Universität Bahnbrechendes leisten soll. Wie soll der Mensch leben, damit man höchste Technologie entwickeln und genießen kann, und gleichzeitig in völliger Harmonie mit der Natur steht? Alle Probleme, die wir heute haben, rühren davon, dass die Menschen die Verbindung zur Natur verloren haben.

Die Gödel-Universität sollte also eine enge Verbindung zur Natur haben. Wo soll sie angesiedelt werden?

Man kann überall kreative, naturverbundene Architektur für ein kreatives, evolutives Fach machen. Ich habe mein eigenes Haus nach Sthapatya Veda gebaut (ein altes und verblüffend umfassendes System der Architektur im Einklang mit den lebensunterstützenden Gesetzen der Natur, Anm.). Hier gibt es heute so viel Wissen, dass man im neuen Campus, auch wenn er in der Stadt integriert sein sollte, mit der Natur verbunden leben kann.

Dann kann der Standort schwer der Parkplatz der Kepleruni sein?

Auch das wäre bei entsprechender Gestaltung möglich. Man sollte den Standort aber besser nach objektiven Kriterien auswählen. Zunächst sollte man alle Vorschläge zulassen, und dann eine systematische Diskussion aller Standorte anhand von klaren Kriterien führen. Ich habe mir erlaubt, selber einen Standort vorzuschlagen, das Gelände des Urfahraner Jahrmarkts, um ein bisschen zu provozieren (lacht). So eine Chance wie man sie jetzt hat, sollte man nützen.

Das wäre ein guter Standort?
Da ist das Ars Electronica Center daneben, das Lentos, die Kunstuniversität  und die Tabakfabrik in der Nähe, weiters die Bruckner Universität, der Stadtkern  gerade über die Nibelungenbrücke. Man hat die Donau als Naturraum und historische europäische Achse.
Man muss sich mehr einfallen lassen als ein Powerplay zwischen Wels und der Kepleruniversität. Es gibt sicher noch mehr Möglichkeiten, wenn man Fantasie hat.

Als Kosten für die neue Universität geistern 150 Millionen Euro herum. Wie lautet Ihre Einschätzung?
Meine Rechnung bei solchen Dingen ist folgende: Ein Student in den Naturwissenschaften kostet im Jahr um die 10.000 Euro. In diesen Kosten sind  die Amortisierung der Gebäude, die Lehre, die Ausstattung  etc. integriert. Die Universität sollte innerhalb der nächsten fünf, zehn  Jahre mindestens 5.000 Studenten haben. Bei 10.000 Studenten würden 100 Millionen Euro jährlich an  Kosten anfallen.
Von woher soll das Geld kommen? Hauptsächlich vom Staat (Bund), Beiträge werden auch  vom Land und  von der Stadt kommen. Ganz wichtig sind Tuitions  (Studiengebühren, Anm.). In den USA zahlen die Studenten durchschnittlich  10.000 Euro. Wenn einer sehr gut ist, werden  sie ihm erlassen. Und wenn er noch besser ist, erhält ein Fellowship (Stipendium, Anm.). Die Masse an Studenten sind die Undergraduates (Studenten vor dem ersten akademischen Grad, Anm.).  Bei denen kassiert man, damit man genügend Geld hat, um  Stipendien  für  die Graduates, die Docs  und die Postdocs zu bezahlen.   So müsste man  das aufbauen. Eine ganz wichtige Sache sind Drittmittel (Gelder von Unternehmen und Forschungsförderungsfonds  etc.).  Die Professoren neuen Typs machen Grundlagenforschung, bringen selbst Studenten an die Universität und bringen auch Geld herein, sowohl aus Fördertöpfen als auch aus der Wirtschaft. Das gehört in den Dienstverträgen verankert.
Beim IST (Institute of Science and Technology Austria) in Klosterneuburg bekommt ein Forscher ein Drittel seiner Ausstattung vom Bund. Wenn er gut ist und ein weiteres  Drittel von der EU oder von Firmen bekommt, erhält er noch einmal ein Drittel vom Staat. Etwas Ähnliches müsste man in der neuen Uni  machen.  Dafür  und für etliche andere innovative Strukturen in der neuen Uni müsste man ein eigenes Gesetz schaffen. Das ist auch angedacht.

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