Chronik/Oberösterreich

Neonazi-Zelle: Verdächtige waren "unauffällig"

Mitglieder der vor zwei Jahren aufgelösten rechten Vereinigung "Objekt 21", die nun nach Brandanschlägen auf Bordelle festgenommen wurden (siehe unten) und teilweise in Untersuchungshaft sitzen, haben sich "nach außen hin unauffällig" verhalten. Das sagte Bürgermeisterin Ulrike Hille (V) aus Desselbrunn (Bezirk Vöcklabruck), wo sich das Vereinslokal der Neo-Nazis befand, am Freitag im APA-Gespräch. "Sie haben keinen bis wenig Kontakt im Ort gehabt."

Keine Ahnung

Den Leuten sei sicher nicht bewusst gewesen, was da alles vor sich ging, von den Gewaltdelikten und der Verbindung ins Rotlichtmilieu habe man nichts geahnt. Die als rechtsgerichtet bekannte Gruppe war natürlich Gesprächsthema, so das Gemeindeoberhaupt. "Hin und wieder standen eine Menge Autos vor dem Haus, aber die Bevölkerung hat sich nicht bedroht gefühlt." Einmal habe es eine Diskussion gegeben, als einige Mitglieder zu später Stunde auf einem Zeltfest erschienen seien, doch im Allgemeinen hätten sie sich wenig in den Gasthäusern blicken lassen.

Die kleine Liegenschaft, auf der das Vereinslokal stehe, befinde sich nicht im Ortszentrum. Die direkten Nachbarn hätten wohl einiges mitbekommen und auch gemeldet, wie zum Beispiel eine große Feuerstelle. Die Gemeinde sei bezüglich der Neonazi-Geschichten immer in Kontakt mit den Ermittlern gestanden, war aber freilich nicht in alles eingebunden. Die Bürgermeisterin hatte nicht den Eindruck, dass die Behörden zu langsam vorgehen. "Es war sehr schwierig, weil die Gruppe genau gewusst hat, in welchem Bereich sie sich bewegen kann, ohne dass man ihr etwas anhaben kann."

Delogierung

Auch mit dem Vermieter des Vereinslokals sei man im Gespräch gewesen. Der Mann wollte die Personen gerne aus seinem Haus haben, "aber es ist heute nicht so einfach, dass man einen Mietvertrag auflöst". Ende 2012 wurde man die unliebsamen Mieter schließlich mittels Delogierung los. "Da waren wir sehr erleichtert. Das Thema hat mich beschäftigt, seit ich im November 2008 ins Amt kam", so die Gemeindechefin.

Wieder Brandanschlag

In der Nacht auf Freitag wurde zudem das Auto einer Unternehmerin aus dem Welser Rotlichtmilieu angezündet. Die Polizei-Pressestelle bestätigte einen entsprechenden Bericht des ORF Oberösterreich. Der Wagen parkte in unmittelbarer Nähe eines derartigen Etablissements in der Innenstadt. Ob es einen Zusammenhang mit den kürzlichen Festnahmen nach Brandanschlägen auf Bordelle gibt, werde ermittelt, hieß es am Freitag auf APA-Anfrage seitens der Exekutive. Verletzt wurde niemand.

Sie zählten jahrelang zur aktivsten Neonazi-Gruppierungen Österreichs. Nun sitzen Rädelsführer der Vereinigung „Objekt 21“ aus Oberösterreich in Untersuchungshaft. Im aktuellen Fall geht es aber nicht um den Verdacht der Wiederbetätigung. Diesmal wird den Aktivisten eine lange Liste an Straftaten im Rotlicht-Milieu vorgeworfen. Unter anderem geht es um Brandstiftungen in Wien und Oberösterreich.

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Ein anonymer Hinweis gab den Anstoß für Ermittlungen, die tief in ein oberösterreichisches Netzwerk aus Kriminellen geführt hat. Zehn Verdächtige im Alter von 25 bis 50 Jahren sitzen in U-Haft. Gewalt, Nötigung, Raub, Prostitution sowie Handel mit Waffen und Suchtgift, so lautet der Vorwurf. Zu den Tatverdächtigen zählt Jürgen W., einst Rädelsführer im „Kampfverband Oberdonau“ und heimliches Mastermind bei „Objekt 21“.

Bordell-Brände

In die kriminellen Machenschaften der Gruppierung soll auch der Wiener Rotlicht-Boss Alexander G. verwickelt sein. Der 51-Jährige soll den Auftrag für einen Brandanschlag auf den Saunaclub „Centaurus“ am 14. Mai 2012 gegeben haben. Er befindet sich ebenfalls in U-Haft (der KURIER berichtete).

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Wie weitverzweigt und skrupellos die Bande ist, hat Chefinspektor Hans-Jürgen Hofinger von der „SOKO 21“ in monatelangen Ermittlungen festgestellt: „Die Bande agierte äußerst brutal – auch gegen ihre eigenen Mitglieder. Es hat einige Zeit gedauert, bis wir die ganze Partie aufdecken und zuordnen konnten.“ So kam ans Tageslicht, dass die Gruppe hinter den Brandanschlägen auf ein Bordell in Schärding und auf das Bordell Taubenschlag in Inzersdorf (Bezirk Kirchdorf) stecken soll. Dessen Geschäftsführer soll im Jahr 2009 entführt und mit der Motorsäge misshandelt worden sein. Sein Bordell ging in Flammen auf.

Der „Kulturverein Objekt 21“ in Desselbrunn wurde bereits 2010 als rechtsextreme Vereinigung aufgedeckt. 2011 standen mehrere Mitglieder wegen Wiederbetätigung vor Gericht.

Einzelne Neonazis dürften daraufhin ihre Aktivitäten verlagert haben. Wie sich nun herausstellte, war das idyllische Bauernhaus in Desselbrunn das Hauptquartier des kriminellen Netzwerks mit vier Capos – die allesamt nun in U-Haft sitzen.

Seit dem vergangenen Herbst 2012 ist das Gebäude, das dem Vater des Oscarpreisträgers Stefan Ruzowitzky gehört, endgültig geräumt.

Bereits im August wurde von den Sonderermittlern bei Hausdurchsuchungen ein Arsenal an illegalen Waffen sowie größere Mengen Suchtgift beschlagnahmt.

Großteils geständig

Von insgesamt 24 Festnahmen ist nun der harte Kern aus zehn Verdächtigen übrig. „Sie sind zu einem großen Teil geständig“, sagt Staatsanwalt Christian Hubmer. Er bestätigt, dass der Ausgangspunkt für die Ermittlungen die rechtsradikale Szene war. „Es handelt sich aber nicht um ideologisch motivierte Verbrechen, sondern um reine Geldbeschaffung“, sagt Chefinspektor Hofinger. Der ermittelte Gesamtschaden beläuft sich auf 3,5 Millionen Euro.

Teilweise wurden die Mitglieder aus dem Gefängnis rekrutiert. Aktuell geht die Polizei von mindestens 23 Einbrüchen, Raubüberfällen, Internetbetrügereien und Körperverletzungen aus.

Objekt 21 war Anlaufstelle für Neonazis im ganzen Land

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Den so genannte „Kulturverein“ Objekt 21 in Desselbrunn hatten antifaschistische Gruppen in Oberösterreich bereits seit 2010 im Visier. „Wir haben, noch bevor sich der Verfassungsschutz eingeschaltet hat, auf die rechtsextremen Umtriebe aufmerksam gemacht. Klar war auch, dass es enge Verflechtungen zum Rotlichtmilieu gibt“, sagt Antifa-Sprecher Robert Eiter und kritisiert, die Polizei sei „zu zögerlich“ vorgegangen.

Das bestreitet Michael Tischlinger vom oö. Verfassungsschutz. „Wir gehen jedem Hinweis nach. In diesem Fall war es wichtig, nicht zu rasch zuzugreifen, sondern die Faktenlage genau aufzuarbeiten.“ Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, war der Schwerpunkt rechtsextremer Aktivitäten im „Objekt 21“ im Jahr 2010 zu verzeichnen. „Das war damals eine absolut brisante Angelegenheit, eine Anlaufstelle für Neonazis aus dem gesamten Bundesland.“

Es sei davon auszugehen, dass es auch gemeinsame Aktivitäten mit deutschen Neonazis gegeben habe. Die Behörde habe aber rasch reagiert und den Verein aufgelöst. Nach einer Berufung seitens des Vereines und der endgültigen Auflösung im Jahr 2011 sei es aus politischer Sicht um das Objekt 21 wieder ruhiger geworden.