Mitterkirchen: Aus den Trümmern neu erschaffen
Es regnet in Mitterkirchen. Für Franz Pleimer, der in seinem Leben schon unzählige Hochwasser überstanden hat, kein Grund zur Beunruhigung. Gelassen überprüft er seine Zille, die hinter dem Haus auf zweieinhalb Meter über dem Boden hängt. Etwa so hoch war der Wasserstand im August 2002, als die bisher größte Hochwasserkatastrophe Österreichs das Machland im Würgegriff hatte. „Wenn die Flut wieder kommt, brauch` ich nur reinspringen", scherzt der 56-jährige OP-Assistent.
Alarm
Vor zehn Jahren, als die Flüsse Aist und Naarn im Machland nach tagelangem Regen auf die Donau drückten, war Pleimer mit seiner Ehegattin und den Kindern, damals 15 und 12 Jahre alt, im Kärntenurlaub. Nach der ersten Welle sei er Hals über Kopf nach Hause geeilt. Die zweite Welle habe er aber unterschätzt. „Erst an dem Punkt, wo mich der Feuerwehrkommandant mitten in der Nacht angerufen hat, wusste ich, dass es diesmal eng wird.“ Vor Ort wartete das Chaos auf die Familie. In der Nacht auf den 14. August 2002 drang das Wasser bis in den ersten Stock der Häuser vor. Mitterkirchen war im Ausnahmezustand.
„Ich hab mir nur gedacht, so muss es im Krieg ausgeschaut haben“, schildert Bürgermeister Anton Aichinger seine Eindrücke, als das Wasser aus dem Ort wich und das ganze Ausmaß der Verwüstung ans Tageslicht kam. Laut dem Hochwasserschutzverband Donau-Machland war Mitterkirchen mit einer Beschädigung von 96 Prozent am stärksten in Mitleidenschaft gezogen. Die Gemeinde habe sich – wie Phönix aus der Asche – aus den Trümmern neu erschaffen, sagt Aichinger. „Wir haben die Chance genutzt, uns zu verbessern. In jeder Hinsicht.“
Das Ortsbild sei heute schöner und die Solidarität stärker als je zuvor: „Wir denken nicht mehr an die Zeiten, als wir geweint haben, sondern daran, wie wir uns gegenseitig geholfen haben.“ Dieses Gefühl kann Pleimer nur bestätigen. „Eine Hilfsbereitschaft wie damals habe ich kein zweites Mal erlebt.“ Hunderte Helfer packten damals freiwillig mit an, schleppten Sandsäcke, wuschen den Schlamm weg und versorgten die, die obdachlos geworden waren. Die zerstörten Bauten wurden abgerissen, die beschädigten saniert und das Leben ging weiter.
Pleimer hat erst vor einigen Wochen begonnen, das Trümmerfeld, das einmal sein Zuhause war, zu beseitigen. Die Straße durch Mitterkirchen soll breiter werden – dabei stehen das alte Wohnhaus und das Wirtschaftsgebäude im Weg. Eine Sanierung kam für Pleimer nicht infrage.
Neubeginn
Im März 2003, wenige Monate nach der Katastrophe, habe er das Geld von der Versicherung in den Bau eines neuen Hauses investiert. Der Wohnbereich liegt einen Meter über der damaligen Hochwassermarke. „Bevor wir schwimmen, schwimmt ganz Perg", ist er zuversichtlich und schaut von der Veranda aus auf die beiden Abrissgebäude. Er betrachtet sich als einen „wenig emotionalen Typ" und weint der Vergangenheit keine Träne nach. „Ich bin einer, der nach vorne schaut. Es gibt heute noch welche, die Angst haben, wenn es regnet."
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